0356 - Die Frau, die zweimal starb
Ein Ziel hatte er nicht erreicht.
Der Würfel des Unheils befand sich nach wie vor in den Händen der ehemaligen Hexe Jane Collins und sorgte dafür, daß sie auch ohne Herz am Leben blieb.
Und er hatte es nicht geschafft, den Bann um Suko, den Yard Inspektor, aufrechtzuerhalten. Es war den Freunden des Chinesen in der Gruft der wimmernden Seelen gelungen, ihn davon zu befreien.
Die Fronten waren also geklärt, die drei Parteien standen sich wieder gegenüber, wobei die Hölle als dritte Kraft zählte.
Jeder versuchte, eine Blöße bei dem anderen zu entdecken, und ein jeder wollte den Feind vernichten.
Der eine mit der reinen Gewalt, der andere mit Hinterlist, Tücke und Verschlagenheit, und die dritte Gruppe versuchte es zunächst durch reines Nachdenken.
Deshalb hatten sich Suko, Myxin, der Magier, Kara und Sukos Freundin Shao in deren Wohnung zusammengesetzt, um über die Zukunft zu beratschlagen.
Suko war wieder okay. Die ärztliche Untersuchung hatte nichts Nachteiliges mehr ergeben, so daß er sich beruhigt auf seine neuen Aufgaben konzentrieren konnte.
Darüber war nicht nur er froh, auch seiner Freundin Shao war ein Stein vom Herzen gefallen.
Einer allerdings fehlte in der Runde.
John Sinclair, der Geisterjäger. Die vier Freunde hofften, daß er bald wieder nach London zurückkehrte, denn ein Fall hatte ihn nach Rumänien geführt.
Was ihm dort widerfahren war und ob er den Fall gelöst hatte, wußte niemand. Man drückte ihm jedoch die Daumen und wollte, wenn er zurückgekehrt war, ihn so rasch wie möglich einweihen.
»Ich freue mich«, sagte Shao, »daß wir alle gesund zusammensitzen. Es hätte viel schlimmer kommen können.«
Niemand widersprach der Chinesin. Sie kam nicht mehr dazu, noch einen Satz hinzuzufügen, denn das Telefon summte. Da Suko dem Apparat am nächsten saß, hob er ab, meldete sich und sagte kurz danach: »Guten Abend, Sir James.«
Die übrigen drei warfen sich bedeutsame Blicke zu, denn jeder von ihnen wußte, wer da angerufen hatte.
Superintendent Sir James Powell, John Sinclairs und Sukos Chef.
Wenn der außerhalb der Dienstzeit anrief, war meistens etwas im Busch, deshalb wurden die Gesichter der Anwesenden auch gespannt. Die drei lehnten sich zurück, so daß das Licht der über dem Tisch hängenden Lampe sie nicht mehr erreichte und ihre Gesichter im Schatten blieben.
»Ja, Sir, ich höre«, sagte Suko und begann zu lächeln. Für die anderen der Beweis, daß es keine allzu schlechte Nachricht sein mußte. »Gut, Sir, dann ist die Sache also erledigt.« Eine kurze Pause, dann fragte Suko: »Wann können wir ihn zurückerwarten?«
»Morgen früh«, hörte der Inspektor die Stimme seines Chefs. »Ich schicke einen Wagen nach Heathrow rüber.«
»Danke, Sir.«
Auch der Superintendent verabschiedete sich, und Suko legte langsam den Hörer auf.
»Nun?« fragte Shao.
Ein breites Lächeln huschte über die Lippen des Chinesen. »John hat die Sache geklärt. Er befindet sich schon auf dem Rückweg. Morgen früh wird er eintreffen.«
Die Freunde freuten sich über die gute Nachricht, und Kara wolltewissen, um was es eigentlich bei dem Fall gegangen war.
»Wenn mich nicht alles täuscht«, erklärte Suko, »handelt es sich um Nachzehrer.«
»Das sind ja Ghouls!« rief Shao und verzog das Gesicht.
»So ähnlich.«
Die Chinesin schüttelte sich. »Es gibt nichts Schlimmeres als Ghouls und Nachzehrer. Scheußlich. Vampire kann ich auch nicht ab, Werwölfe ebenso, aber Ghouls oder Nachzehrer sind wirklich die widerwärtigsten Dämonenabarten.«
Suko winkte ab. »Es ist ja vorbei. Wir können uns also um neue Probleme kümmern.«
»Meine ich auch.« Die Worte hatte Myxin gesprochen. Der kleine Magier hatte sich bisher zurückgehalten, weil er den anderen den Vortritt lassen wollte. Nun nickte er Kara zu, die aber schüttelte den Kopf.
»Nein, sprich du.«
»Also gut.« Myxin schaute zur Decke. »Die Lage ist seit der Vernichtung der Großen Alten im Prinzip einfacher geworden, weil wir uns auf weniger Gegner konzentrieren können. Trotzdem dürfen wir nicht übermütig werden. Was haben wir eigentlich erreicht? Der Spuk lebt noch, das Rätsel um seine Gestalt ist gewissermaßen nur ein wenig gelüftet worden. Wir wissen; daß er sich hinter dem Begriff Namenloser versteckt hat, und wir wissen ferner, daß er noch nicht aus dem Rennen ist. Noch längst nicht, möchte ich hinzufügen. Hat er sich zuvor zurückgehalten, wird er immer wieder nach neuen
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