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Die Filmerzaehlerin

Die Filmerzaehlerin

Titel: Die Filmerzaehlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hernán Rivera Letelier
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anzuziehen, die von Mama dageblieben waren, ein Kleid mit roten Punkten und mit Volants, das sie sehr gemocht und bestimmt nur deshalb nicht mitgenommen hatte, weil mein Vater es vor ihr versteckt hielt.
    Mein Vater hatte es andauernd versteckt, damit sie es nicht anzog.
    Das Kleid war wie dafür gemacht, die bailaora zu spielen, und mit ein paar wenigen Stecknadeln saß es auch fast perfekt. Ich war zwar noch nicht ganz elf Jahre alt, aber wie die meisten Mädchen in der Wüste für mein Alter schon sehr entwickelt.
    Manche Männer behaupteten, und ihre Augen blitzten dabei geil, es liege am Salpeter, dass die Mädchen hier so vorzeitig reiften, nicht von ungefähr gelte der ja in sämtlichen Breiten als der beste Naturdünger der Welt.
    Als mein Vater mich an dem Abend in Mamas Kleid erblickte, wurde er kreideweiß, schleuderte sein Weinglas gegen die Wand (das einzige Glas, das noch im Haus war) und befahl mir funkensprühend, es auszuziehen.
    Die Filmerzählung fiel aus, und er saß drei Tage in sich verschlossen im Schlafzimmer und trank seinen Wein aus einem Tonkrug.
    Er ließ sich nicht mal von uns ins Bett legen.
    Sonst streckten wir ihm abends auf den rostig quietschenden Bettfedern die steifen Beine aus, damit er gut lag, und klappten sie ihm morgens wieder ein, wenn wir ihn in seinen Sessel setzten.
    18
    In der Siedlung fingen die Leute inzwischen an über mich zu reden. »Das ist die Kleine, die Filme erzählt«, hörte ich manchmal jemand sagen, wenn ich im Minenladen in der Brotschlange stand. Oder wenn ich nach Schulschluss durch die Straße mit den Geschäften ging. Aber endgültig Flügel bekam meine Popularität an dem Abend, als ich aus dem Kino kam und zu Hause mehr Leute als gewöhnlich auf mich warteten.
    Neben den Freunden meiner Brüder (die von ihrem Platz am Fenster schon länger auf den Fußboden vor der Holzbank umgezogen waren) hatte mein Vater zwei ehemalige Arbeitskollegen eingeladen, und die brachten ihre Frauen und Kinder mit, um mich zu hören. Meine Brüder mussten die Bank räumen und sich zu ihren Freunden auf den Boden setzen.
    Während ich meinen Tee trank und mich bereit machte, den Film im Stehen vor der weißen Wand zu erzählen, versicherte mein Vater seinen Gästen unermüdlich, der Film könne schwarzweiß sein und bloß die halbe Leinwand füllen, seine Kleine hier würde ihn in Technicolor und Cinemascope erzählen.
    »Gleich seht ihr es selbst, Kumpels.«
    Den Film vor einem größeren Publikum zu erzählen spornte mich an. Ich fühlte mich rundum als Künstlerin. Ich glaube, an dem Abend lieferte ich eine meiner besten Erzählungen. Der Film war eine Musical-Komödie mit Marisol in der Hauptrolle, dem Wunderkind des spanischen Films. Die Besucher waren hingerissen. Und nicht nur wegen meiner Art zu erzählen und zu spielen, sondern auch wegen meiner Darbietung der Lieder.
    Der Applaus am Ende klang wie Musik in meinen Ohren.
    Von dem Tag an sprach man offen über mein besonderes Talent als Filmerzählerin, und zu jedem Erzählabend luden sich mehr Freunde meines Vaters bei uns ein und wollten mich hören.
    Mich sehen und hören.
    19
    Eines Tages ließ einer von den Gästen wie nebenbei etwas fallen, worauf wir als Familie im Leben nicht gekommen wären: Dass wir Eintritt nehmen könnten. Was die Kleine da biete, das sei doch eine Vorstellung nach allen Regeln der Kunst.
    »Und Kunst, meine Lieben, Kunst wird bezahlt.«
    So dass mein Vater noch am selben Abend, nachdem er die Angelegenheit zwei Stunden lang mit meinen älteren Brüdern besprochen hatte (ich wurde nicht gefragt), die bestmögliche Lösung fand: Eintritt würde nicht erhoben, jedoch um eine freiwillige Spende gebeten.
    »Das ist das Sauberste«, sagte er. Aber vorher musste das Garniturzimmer hergerichtet werden.
    Am nächsten Morgen legten wir Hand an. Meine Brüder trieben eine Bank und einen alten Stuhl auf und zimmerten beides mit ein paar Nägeln zurecht. Dazu kamen zwei umgedrehte Schmalzkanister, ein Bierkasten und was sich sonst zum Draufsetzen fand. Wir wuchteten sogar den großen Stein nach drinnen, der neben der Haustür eingelassen war und auf dem mein Vater vor dem Unfall gesessen und sein Fläschchen Wein getrunken hatte.
    Und es lief gut an.
    Der »Saal« füllte sich mit Kindern und Erwachsenen, Männern und Frauen. Darunter welche, die sahen sich erst den Film im Kino an, kamen dann zu uns und ließen ihn sich erzählen. Und sagten, wenn sie gingen, der Film, den ich erzählt hätte, sei

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