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Die Finsternis

Die Finsternis

Titel: Die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Falls
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hatte, bei uns zu Hause zu übernachten, aber im Grunde hatte ich gar nichts davon. Wir spielten den ganzen Abend mit meinen Eltern und meiner neun Jahre alten Schwester Zoe Karten. Ich fand, dass wir mehr als genug Zeit mit den anderen in unserem »Familienraum« verbracht hatten, wie Gemma unser Wohnzimmer am liebsten nannte. Doch dann musste Gemma Zoe noch dabei helfen, ihre Haustiere zu füttern. Das dauerte eine Weile, weil das Zimmer meiner Schwester mit Dutzenden Aquarien vollgestopft war, die bis zum Rand mit den verschiedensten Meerestieren gefüllt waren. Als Mum auch noch begann, Gemmas Haare zu flechten, während Dad Zoe laut etwas vorlas, gab ich die Hoffnung auf, an diesem Abend überhaupt mit Gemma allein sein zu können.
    Ich zog mich in mein Zimmer zurück und wünschte, meine Eltern würden für eine Weile verschwinden, einen Ausflug an die Oberfläche machen oder etwas in der Art. Kurz darauf platzte Gemma in mein Zimmer. »Polierst du deine Schätze, Käpt’n Blaubart?«
    Verlegen legte ich das Entermesser, das ich restauriert hatte, zurück in das Regal neben die anderen Artefakte, die ich aus dem Meeresboden gegraben hatte. Langdolche und Porzellan, Kelche und Schmuck. Alles ordentlich auf Regalen angeordnet, die mein ganzes Zimmer füllten.
    »Ich kann nicht aufhören, an dieses Township zu denken«, sagte sie, während sie vor einer steinernen Götterfigur stehen blieb, die ich als Ständer für Halsketten oder Medaillons verwendete, die ich noch untersuchen und beschriften musste. Sie nahm eine Perlenkette von der Statue und legte sie sich um den Hals. »Ich glaube, es war der Staatenbund.«
    »Die Regierung soll alle Bewohner eines Townships getötet haben? Warum?«
    »Warum werden Jungs gezwungen, in einer Erziehungsanstalt auf dem Meeresgrund zu leben?«, erwiderte sie und spielte damit auf die Besserungsanstalt an, in die man ihren Bruder einst gesperrt hatte – Seablite.
    Dagegen ließ sich nichts einwenden. Nach allem, was ich wusste, hatte diese Erfahrung bei jedem der Jugendlichen Narben hinterlassen – sowohl emotional als auch physisch. Der Arzt, der die Seablite-Erziehungsanstalt geleitet hatte, Doc Kunze, hatte herausgefunden, dass die inhaftierten Jungs nur aufgrund der Tatsache, dass sie unter Wasser lebten, neue Fähigkeiten entwickelten. Er wollte unbedingt untersuchen, woran das lag … und war irgendwann dazu übergegangen, seine Nachforschungen mithilfe eines Skalpells anzustellen.
    »Weißt du, wie Abgeordneter Tupper erklärt, was in Seablite passiert ist?«, fragte ich Gemma und ließ mich auf mein Bett fallen. »Mangelnde Aufsicht.«
    Sie hörte kurz auf, meine Regale zu durchstöbern und sah mich an. »Oh, wirklich?«
    »Seiner Meinung nach ist der Staatenbund keine schlechte Regierung, sondern einfach nur überfordert, und manchmal fällt eben etwas durch das Raster. Nur mangelnde Aufsicht hätte es dem Doc ermöglicht, an den Jungs in Seablite herumzuexperimentieren.«
    Gemma zog die Stirn in Falten. »Um ein Township am Meeresboden zu verankern und all diese Menschen sterben zu lassen, braucht es schon mehr als nur mangelnde Aufsicht.«
    »Das sehe ich genauso.«
    Als sie sich wie früher ans Fußende meines Bettes setzte, fühlte ich mich, als blühten Tausende Seeanemonen mit tanzenden Tentakeln in meinem Inneren auf. Ich war so aufgeregt, sie endlich für mich zu haben, dass ich plötzlich nicht mehr wusste, was ich sagen sollte.
    »Bist du nervös wegen morgen?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Weil wir unsere Ernte an die Drift verkaufen? Nein.« Das entsprach der Wahrheit, auch wenn der Häuptling der Drift aussah, als wäre er einem Albtraum entsprungen, denn sein Gesicht und seine Kopfhaut waren vom Hautkrebs völlig entstellt. »Was kann schon schiefgehen? Sie brauchen unsere Früchte. Und wir wollen sie verkaufen. Ein simples Geschäft.«
    »Was ist mit den Rationen, die der Staatenbund ihnen zukommen lässt? Das war doch Teil des Abkommens mit den Surfs, oder? Wenn die Leute zustimmen, auf ein Township zu ziehen, wollte die Regierung sie mit allem versorgen, was sie nicht anbauen oder herstellen können.«
    »Der Häuptling der Drift sagt, dass der Staatenbund ihnen nur noch die Hälfte von dem schicke, was sie vor fünf Jahren erhalten hätten.«
    »Muss wohl an der mangelnden Aufsicht liegen«, erwiderte Gemma trocken.
    Sie sah sogar hübsch aus, wenn sie sich über etwas aufregte. Mit den geflochtenen Zöpfen, die zu einer Art Krone hochgesteckt

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