Die Finsternis
keine Überlebenden gibt.«
»Ein furchtbarer Skandal.«
»Hat etwa einer von Fifes Preisboxern auf der Nomad gelebt?«, fragte Revas demonstrativ. »Ist er deshalb so interessiert an der Geschichte?«
»Nein, gnädige Frau. Bürgermeister Fife geht es nur um die Surfs. Seit die Nomad vermisst wird, ist er krank vor Sorge um die armen Menschen.« Ratter spuckte den Batzen Seegras auf das Deck zwischen zwei mit Planen bedeckte Leichen.
»Machen Sie das weg!«, befahl Kommandantin Revas.
Der heftige Ton in ihrer Stimme ließ mich zusammenzucken. Hätte sie mich gemeint, wäre ich ohne Widerworte sofort auf dem Boden herumgekrochen. Doch Ratter warf ihr nur einen gereizten Blick zu. »Ich fasse doch nicht dieses durchgekaute Zeug an.«
Mit eisiger Ruhe zog Revas ihre Harpistole aus dem Half-ter und zielte direkt zwischen Ratters Augen. »Machen – Sie – das – weg!«
Ich trat einen Schritt zurück, denn ich traute Ratter nicht zu, dass er schlau genug war zu begreifen, dass Kommandantin Revas tatsächlich den Abzug drücken würde, wenn er nicht gehorchte, auch wenn sie wahrscheinlich nicht die Absicht hatte, ihn zu töten.
Missmutig bückte er sich und hob den feuchten Klumpen Kaugras auf.
Bei diesem ganzen Hin und Her platzte mir fast der Kragen. Kommandantin Revas schien einem Typ, der sich den toten Surfs gegenüber respektlos verhielt, mehr Beachtung zu schenken als der Entführung meiner Eltern. Vielleicht waren die Surfs nicht die Einzigen, die die Pioniere hassten. Doch auch wenn Revas voreingenommen sein sollte, hätte ich eher auf das Wiedergefrieren der Gletscher gewettet als darauf, dass sie das zugab.
Mit dem feuchten Seegras in der geballten Faust sagte Ratter: »Fife lässt Ihnen ebenfalls ausrichten, dass er entscheiden wird, was mit dem Township geschieht, wenn alle an Bord tot sind. Er ist der offizielle Repräsentant der Surfgemeinschaft im Staatenbund.«
Kommandantin Revas steckte ihre Pistole zurück ins Halfter. »Teilen Sie dem Bürgermeister mit, dass die Nomad Teil einer Ermittlung ist und von der Meereswache auf unbestimmte Zeit beschlagnahmt wurde.«
»Und was ist danach?« Ratter ließ nicht locker.
»Danach ist sie mein Bergungslohn«, mischte ich mich ein. »Ich habe das Schiff gefunden. Es gibt keine Überlebenden. Wenn also die Meereswache ihre Ermittlungen abgeschlossen hat, gehört die Nomad mir.«
Ratter starrte mich an.
Es war mir egal, dass ich wie ein herzloser Idiot klang, weil ich einfach ihr Gespräch unterbrochen hatte und keine Rücksicht auf die vielen Leichen zu unseren Füßen nahm. Ich wollte es Kommandantin Revas zeigen. Ich kannte die Bergungsgesetze genauso gut wie jeder andere Meeresbewohner.
Mit verkniffener Miene wandte Revas den Blick von mir ab, als sei ich ein Eimer voller Fischgedärme, und drehte sich zu der Gardistin um. »Schaff mir diese Provinzbrut aus den Augen.«
Unsere Nachbarn, Sharon und Lars Peavy, kamen nach meinem Anruf sofort zur Handelsstation und erklärten sich bereit, sich um Zoe zu kümmern, während ich mich auf die Suche nach meinen Eltern machen wollte. Sie mussten Zoe zwingen, in ihr U-Boot zu steigen, denn sie trat um sich und schrie fürchterlich.
»Was, wenn sie den Peavys einen Elektroschock verpasst?«, fragte Gemma besorgt.
»Das wird sie nicht«, sagte ich, während ihr U-Boot in den Wellen verschwand. »Selbst Leuten, die sie hasst, versetzt sie keinen Schock, weil sie zu viel Angst davor hat, sie ernsthaft zu verletzen. Da wird sie ganz sicher erst recht keine Menschen mit ihrer Elektrizität angreifen, die sie mag.«
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Gemma.
Nach allem, was sie an diesem Tag durchgemacht hatte, überraschte es mich, dass sie noch immer »wir« sagen konnte. »Ich kann mich bei der Suche nach meinen Eltern nicht nur auf drei Skimmer verlassen. Ich werde nach Rip Tide fahren«, erklärte ich ihr.
»Wo der Boxkampf stattfindet?«
»Ja. Es liegt etwa einen halben Segeltag südlich von hier. Die Townships holen dort ihre Rationen ab. Ich weiß, dass nur eine geringe Chance besteht, dass sich die Drift dort blicken lässt, aber ich will unbedingt mit dem Repräsentanten der Surfs reden. Vielleicht hat er etwas gehört und weiß, was der Häuptling der Drift mit meinen Eltern vorhat oder was ihre Freilassung kosten würde. Und wenn nicht, kann er mir vielleicht die Koordinaten der Fanggründe der Drift nennen. Dann hätte ich wenigstens einen Anhaltspunkt, wo ich mit der Suche beginnen
Weitere Kostenlose Bücher