Die Flamme erlischt
flatterten winzige Gestalten von den umliegenden Bäumen hinzu, um sich an dem bevorstehenden Fest zu beteiligen.
Plötzlich war der Banshee da. Aufgetaucht aus dem Nichts, hing er bewegungslos über dem Gewimmel und stieß sein schreckliches, langanhaltendes Heulen aus. Aber die Baumgeister ließen sich durch diesen Ton nicht von ihrem Geschäft abbringen. Zirpend und mit den Zähnen aufeinander einhackend, fuhren sie mit ihrer verrückten Balgerei fort. Der Banshee fiel hinab. Sein Schatten bedeckte sie. Wellenförmige Bewegungen durchliefen seine Flügel. Er war über ihnen. Und dann war nur noch er allein zu sehen. Die Geister und der Tote waren gemeinsam Opfer seines hungrigen Griffes geworden. Dirk fühlte sich auf seltsame Weise fröhlich.
Aber nur einen Augenblick lang. Während der Banshee unbeweglich über seinen Opfern hockte, ertönte plötzlich ein schrilles Kreischen, und Dirk sah einen kleinen Fleck herabschießen und auf dem Raubtier landen. Ein anderer folgte. Dann noch einer. Dann ein Dutzend auf einmal. Er blinzelte, und danach schien ihm, als hätte sich die Zahl der Baumgeister verdoppelt. Der Banshee entfaltete erneut seine großen Dreiecksflügel. Sie flatterten schwach und kraftlos, das Tier hob nicht ab. Die Plagegeister waren überall auf dem Körper des Banshee, bissen nach ihm, klammerten sich an ihn, hielten ihn mit ihrem Gewicht am Boden und rissen ihn in Stücke. An die Erde genagelt, konnte er noch nicht einmal einen Schmerzensschrei hervorbringen. Schweigend starb er, die eigene Mahlzeit immer noch unter sich begrabend. Als Dirk auf dem oberen Rand der Felswand von seinem Himmelsflitzer stieg, war die Lichtung wieder zu jener wogenden Masse aus gelben Körpern geworden, die er zu Anfang gesehen hatte. Kein Zeichen deutete mehr darauf hin, daß dort unten jemals ein Banshee gewesen war. Der Wald lag ganz ruhig. Er wartete, bis Jaan Vikary zu ihm stieß. Gemeinsam nahmen sie ihren wortlosen Marsch wieder auf.
In der Höhle war es kalt, dunkel und unendlich still. Viele Stunden vergingen unter der Erde, in denen Dirk dem kleinen, schwankenden Licht von Jaan Vikarys Taschenlampe folgte. Das Licht führte ihn durch gewundene, unterirdische Gallerien, durch hallende Gewölbe und beängstigend enge Passagen, die man nur auf Händen und Füßen durchqueren konnte. Sein Universum war der Schein des Lichtes, Dirk verlor jegliches Gefühl für Raum und Zeit. Er und Jaan hatten einander nichts zu sagen, also schwiegen sie, das Schlurfen ihrer Stiefel über staubigen Fels und die unregelmäßig dröhnenden Echos waren die einzigen Geräusche. Vikary kannte sein Höhlensystem gut. Niemals kam er vom Weg ab oder zögerte auch nur. Sie hinkten und krochen durch Worlorns geheime Seele.
Und traten an einem Bergabhang inmitten von Würgern ins Freie. Hinaus in eine Nacht des Feuers und der Musik.
Kryne Lamiya brannte. Die Knochentürme kreischten ein verzerrtes Klagelied.
Überall in der bleichen Totenstadt loderten Flammen hoch, leuchtende Wachposten, welche die Straßen auf und ab wanderten. Im Wabern von Licht und Hitze schimmerte die Stadt wie ein seltsames Traumgespinst, sie schien durchsichtig wie eine Seifenblase, unwirklich wie eine Fata Morgana zu sein. Während sie gebannt hinüberstarrten, stürzte eine der schlanken Bogenbrücken ein. Zuerst brach das geschwärzte Mittelstück und fiel in das Flammenmeer, dann folgte der Rest der Steinkonstruktion. Das Feuer verschluckte alles und stob prasselnd, zischend und ungesättigt nur noch höher. Daneben hustete dumpf ein Gebäude und fiel in einer riesigen Staub- und Glutwolke in sich zusammen. Dreihundert Meter von dem Bergrücken entfernt, an dem sie standen, ragte eine kalkweiße Turmhand hoch über die Würgerwälder hinaus. Bislang war sie von der Feuersbrunst verschont geblieben, aber angestrahlt von der schrecklichen Helligkeit, schien sie sich wie ein lebendiges Wesen zu bewegen, sich im Schmerz zu winden und zu drehen. Durch das Brüllen des Feuers hindurch konnte Dirk die schwache Musik von Lamiya-Bailis vernehmen. Dunkeldämmerungs Symphonie wirkte zerbrochen und entstellt. Türme waren verschwunden, Töne fehlten, und so war das Musikstück voller grauenhafter Pausen. Das Prasseln der Flammen stellte einen donnernden Gegensatz zu dem Heulen, Stöhnen und Pfeifen dar. Der Wind der Dunklinge, der ohne Unterlaß von den Bergen herabwehte, um die Sirenenstadt zum Singen zu bringen, dieser Wind fachte das riesige Feuer, das Kryne
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