Die Flamme erlischt
Stück, kaltes Silber, mit Jade besetzt, das die Hälfte ihres linken Unterarms bedeckte. Den Ärmel ihres Pullovers hatte sie aufgerollt, um das Stück besser zur Geltung zu bringen.
»Du bist schlanker geworden, Dirk«, sagte sie.
Er zuckte die Achseln und schob die Hände in die Jackentaschen. »Ja«, sagte er. Tatsächlich war er fast hager, höchstens noch ein wenig rund an den Schultern durch den häufigen Müßiggang. Auch auf andere Weise hatten ihn die Jahre älter werden lassen, sein Haar schimmerte jetzt eher grau als braun – einst war es umgekehrt gewesen –, und er trug es fast so lang wie Gwen, obgleich seines einem sich kräuselnden Lockenmeer glich.
»Eine lange Zeit«, sagte Gwen.
»Sieben Standardjahre«, stimmte er kopfnickend zu. »Ich hatte mir das anders vorgestellt...«
Der andere Mann, jener wartende Fremde, hüstelte, als wollte er sie daran erinnern, daß sie nicht allein waren. Dirk blickte auf, und Gwen drehte sich um. Der Mann trat näher und verbeugte sich höflich. Er war klein, rundlich und hatte hellblonde, fast weiße Haare. Er trug einen hellfarbenen Seidenanzug, ganz in Grün und Gelb gehalten, dazu eine winzige schwarze Strickmütze, die trotz seiner Verbeugung an ihrem Platz blieb.
»Arkin Ruark«, stellte er sich vor. »Dirk t'Larien.«
»Arkin arbeitet mit mir an dem Projekt«, sagte Gwen. »Projekt?«
Sie blinzelte. »Weißt du nicht einmal, warum ich hier bin?« Er verneinte. Das Flüsterjuwel war von Worlorn abgeschickt worden, das war alles, was er wußte. »Du bist Ökologin«, sagte er, »auf Avalon ...« »Ja, am Institut. Besser, ich war es, vor sehr langer Zeit, Ich hörte dort auf, bekam mein Beglaubigungsschreiben und habe mich seitdem auf Hoch Kavalaan aufgehalten. Bis ich auf diesen Planeten geschickt wurde.«
»Gwen gehört der Eisenjadeversammlung an«, erklärte Ruark. Die Andeutung eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht. »Ich vertrete die Impril-City-Akademie. Kimdiss. Ihnen bekannt?« Dirk nickte. Ruark war demnach ein Kimdissi, ein Außenweltler, und er gehörte einer Universität an.
»Impril und Eisenjade sind hinter der gleichen Sache her, verstehen Sie? Forschungen über ökologische Interaktionen auf Worlorn. Während des Festivals wurde dieses Gebiet vernachlässigt, weil keine der Außenwelten in Ökologie besonders leistungsfähig war. Eine pivergessene Wissenschaft, wie die Emereli sagen. Aber genau das ist das Projekt. Gwen und ich kannten uns gut aus früheren Zeiten. Da wir aus demselben Grund hier sind, ist es wohl nur vernünftig, wenn man zusammenarbeitet und lernt, was es zu lernen gibt.«
»Da haben Sie recht«, sagte Dirk. Er war im Moment wirklich nicht übermäßig an dem Projekt interessiert, er wollte nur mit Gwen sprechen. Er sah sie an. »Du wirst mir später alles darüber erzählen müssen. Wenn wir Zeit zum Plaudern haben. Ich kann mir vorstellen, daß du gerne mit mir reden möchtest.«
Sie bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick. »Ja, selbstverständlich. Wir haben in der Tat eine Menge zu bereden.«
Er hob seine Tasche auf. »Wohin?« fragte er. »Nach einem Bad und einem guten Essen nehme ich es mit jedem auf.« Gwen wechselte einige Blicke mit Ruark. »Arkin und ich hatten eben darüber gesprochen. Er kann dich aufnehmen. Wir wohnen im gleichen Gebäude, nur ein paar Stockwerke auseinander.« Ruark nickte. »Mit Freuden. Es ist mir ein Vergnügen, etwas für Freunde zu tun. Und wir beide sind doch Freunde von Gwen, nicht wahr?« »Hm«, murrte Dirk. »Eigentlich glaubte ich ja, daß ich bei dir bleiben könnte, Gwen.«
Geraume Zeit konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. Sie blickte erst zu Ruark, dann auf den Boden, schließlich in den schwarzen Nachthimmel. Endlich fanden ihre Augen die seinen. »Vielleicht später«, sagte sie mit vorsichtiger Stimme, ohne zu lächeln. »Aber nicht gerade jetzt. Ich glaube nicht, daß es in diesem Moment das beste wäre. Aber wir werden natürlich gemeinsam heimfahren. Wir haben einen Wagen.« »Hier entlang«, ergänzte Ruark, ehe Dirk etwas erwidern konnte. Einiges war seltsam. Er hatte die Wiedersehensszene während der Monate an Bord der Schaudern immer wieder durchgespielt. Manchmal hatte er es sich zärtlich und liebevoll vorgestellt, manchmal war es eine wütende Konfrontation gewesen, und oft hatte es Tränen gegeben. Aber niemals war es annähernd so gewesen wie hier: peinlich und unter sonderbaren Umständen, mit einem Fremden, der bei allem zugegen war.
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