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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Zappler fang mich. Zappler, Zappler, Zappler.
    »Eichhörnchen, Todd! Eichhörnchen!«
    Verdammt, sind Tiere blöd.
    Ich packe Manchee am Kragen und schlage ihn auf die Hinterbeine. »Aua, Todd? Aua?« Ich verpasse ihm noch einen Schlag. Und noch einen. »Aua? Todd?«
    »Komm jetzt endlich!«, sage ich, und mein eigener Lärm tobt so laut, dass ich mich selbst kaum denken höre, was ich recht bald bereuen werde, glaub mir.
    Zappeljunge, Zappeljunge , denkt das Eichhörnchen über mich. Fang mich doch, Zappeljunge.
    »Du kannst dich auch verplustern«, sage ich, nur dass ich nicht »verplustern« sage, sondern das andere Wort.
    Aber ich hätte verdammt gut daran getan, mich noch einmal umzuschauen.
    Denn auf einmal steht Aaron vor mir, wie aus dem Nichts ist er plötzlich aufgetaucht, reckt sich und schlägt mir mitten ins Gesicht, schlägt mir mit seinem großen Ring die Lippe blutig, dann holt er wieder aus, diesmal mit der geballten Faust, er streift mein Jochbein, verfehlt zum Glück die Nase, denn ich lasse mich blitzschnell ins Gras fallen, versuche noch im Fallen seinem Schlag auszuweichen, und dabei lasse ich Manchee los, der dem Eichhörnchen hinterherrennt und sich die Seele aus dem Leib bellt, der Verräter, und ich falle mit Knien und Händen voran ins Gras, und das bedeutet noch viel mehr Flecken von den Raupen.
    Ich bleibe liegen, schnappe nach Luft.
    Aaron steht drohend über mir, sein Lärm bedrängt mich, es sind Fetzen aus der Heiligen Schrift und aus seiner nächstenPredigt und achte auf deine Worte, junger Todd und ein Opfer erwählen und der Heilige sucht sich seinen Weg und Gott hört es und dazu all die unscharfen Bilder, die sich in jedermanns Lärm befinden, von ganz alltäglichen Dingen, aber hie und da auch ein Aufblitzen von ...
    Von was? Was zum Teufel ...?
    Aber da wird der Gedanke bereits von einem lauten Predigtschwall zugedeckt, ich schaue hoch in seine Augen und mit einem Mal will ich es gar nicht mehr wissen. Ich schmecke Blut, wo sein Ring meine Lippe aufgerissen hat, und ich will es gar nicht wissen.
    Er kommt doch sonst nie hierher, kein Mann kommt jemals hierher, sie haben alle ihre Gründe, die Männer, mit Sicherheit. Nur ich und mein Hund, wir sind die Einzigen, die herkommen, aber hier steht Aaron nun, und ich will es einfach nicht wissen.
    Er lächelt mich durch seinen Bart hindurch an, lächelt herab zu mir, der ich im Gras sitze.
    Eine Faust, die lächelt.
    »Unsere Worte, junger Todd«, sagt er, »sind es, die uns nach unten ziehen wie die Kette den Gefangenen. Hast du denn in der Kirche nichts gelernt, Bursche?« Und dann sagt er den Satz, den er immer und immer wieder predigt: »Wenn einer von uns fällt, fallen wir alle.«
    Ja, Aaron, denke ich.
    »Sprich es aus, Todd.«
    »Ja, Aaron«, sage ich.
    »Und all die liederlichen Worte?«, sagt er. »Und all die lästerlichen Flüche? Glaube ja nicht, ich hätte sie nicht gehört. Dein Lärm verrät dich. Er verrät uns alle.«
    Nicht alle, denke ich, während ich gleichzeitig laut sage: »Es tut mir leid, Aaron.«
    Er beugt sich zu mir, seine Lippen sind ganz nah an meinem Gesicht, ich rieche den Atem, der schwer wie Blei seinem Mund entströmt, Atem wie eine Hand, die sich nach mir ausstreckt. »Gott hört es«, sagt er. »Gott hört es . «
    Wieder hebt er seine Hand und ich zucke zusammen. Er lacht und dann geht er, einfach so, geht in die Stadt zurück und nimmt seinen Lärm mit sich.
    Ich zittere am ganzen Leib, weil ich geschlagen wurde, zittere, weil ich so überrumpelt wurde und weil ich so wütend bin und weil ich diese Stadt und die Männer, die darin leben, so sehr hasse. Ich zittere so sehr, dass ich eine Weile brauche, ehe ich wieder aufstehen und meinen Hund einfangen kann. Was, verdammt noch mal, hat er hier draußen überhaupt zu suchen? Ich bin so sauer, ich schäume so sehr vor Wut und Hass (und Angst, ja, auch vor Angst, halt bloß die Klappe), dass ich mich nicht einmal umschaue, ob Aaron meinen Lärm gehört hat. Ich schaue mich nicht um. Ich schaue mich einfach nicht um.
    Und dann drehe ich mich doch um und fange meinen Hund ein.
    »Aaron, Todd? Aaron?«
    »Sag nie wieder diesen Namen, Manchee.«
    »Blutet, Todd. Todd? Todd? Todd? Blutet?«
    »Ich weiß. Halt die Schnauze.«
    »Zappler«, sagt er gedankenlos, er hat einfach gar nichts im Kopf.
    Ich verpasse ihm einen Schlag aufs Hinterteil. »Sag das nicht noch mal.«
    »Aua? Todd?«
    Wir gehen weiter, halten Abstand zum Fluss zu unserer Linken. Im

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