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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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hielt. Wenn sie eine Vase holen ginge, bekäme sie ein wenig Aufschub.
    «Ich werde mal etwas für die Blumen hier holen.»
    Ohne ihm die Gelegenheit zu geben, noch etwas zu sagen, drehte sie sich um und ging zu der kleinen eingezäunten Sammelstelle.
    Er war schnell. Schnell und neugierig. Ihr war bereits klar, dass sie ihn erst loswerden würde, wenn sie erzählt hätte, wer sie war.
    Wer war sie denn eigentlich?
    Sie hatte es nicht eilig zurückzugehen. Sie nahm eine spitze Plastikvase aus einer Kiste und spülte sie unter fließendem Wasser ein paar Mal gründlich aus. Ihre Gedanken rotierten, als ob ihr Gehirn in eine Zentrifuge verwandelt worden wäre.
    Wer könnte sie bloß sein, ohne Misstrauen zu erregen?
    Warum war sie überhaupt zu ihm hingegangen?
    Als sie die Vase zum vierten Mal gefüllt hatte, holte sie tief Luft und machte sich auf den Rückweg.
    Er kauerte wieder vor dem Stein, als sie kam.
    «Sie können sie hier reinstecken», sagte er und drückte ein paar Krokusse zur Seite.
    Sie bemerkte, dass er Malerfarbe an den Händen hatte. Seine Finger waren lang und schmal und er trug keinen Ring.
    Sie tat, was er gesagt hatte. Ein Krokus brach ab, und sie drückte ihn mit der linken Hand beiseite, um die Vase platzieren zu können.
    «Was für eine ungewöhnliche Uhr», sagte er und legte den Zeigefinger auf ihre Armbanduhr.
    «Die ist alt», erwiderte sie verlegen lächelnd und schob sie unter den Ärmel. «Sie funktioniert auch gar nicht mehr.»
    Unauffällig schaute sie ihn ein wenig von der Seite an. Seine Augen schienen auf den Stein vor ihnen geheftet zu sein.
    «Ingmar!»
    Diesmal fielen sie beide fast auf den Rücken.
    «Was machst du denn hier? Und mit ihr!»
    Rune Hedlunds Frau schien das, was sie sah, nicht zu gefallen, und ihre Stimme war voller Anklage, aber auch Verwunderung.
    «Kerstin, meine Beste!»
    Der Mann mit Namen Ingmar machte einen Schritt auf die aufgebrachte Frau zu.
    «Ich bin nicht mit ihr hier. Ich dachte, sie sei eine Freundin der Familie.»
    Er drehte sich um und sah Sibylla an. Er war eilends auf die gute Seite gewechselt. Sibylla stand mit ihrer Scham und mit einem Fuß im Krokusbeet allein da. Sie konnte schwer entscheiden, ob es Hass oder Trauer war, was sie in Kerstin Hedlunds Augen sah. Ihr Blick war jedoch dermaßen herablassend, dass Sibylla sich gern für was auch immer entschuldigt hätte. Der Mann mit Namen Ingmar sah von Kerstin zu Sibylla. Schließlich gewann seine Neugier die Oberhand.
    «Wer ist das?»
    Er versuchte die Frage neutral klingen zu lassen. Kerstin Hedlund wandte nicht den Blick von ihr.
    «Sie ist ein Niemand», sagte sie dann. «Ich wäre dir aber äußerst dankbar, wenn du dafür sorgen könntest, dass sie hier verschwindet.»
    Er sah Sibylla an, die rasch nickte. Egal was, bloß weg von dem Ganzen.
    « Kommen Sie schon!»
    Er gestikulierte ungeduldig mit der Hand. Sibylla gehorchte aufs Wort, hielt zu der ärgerlichen Frau aber sicherheitshalber ein paar Schritte Abstand, als sie an ihr vorbeiging.
    Keiner der beiden sagte etwas, bevor sie auf dem Parkplatz anlangten. Ihr Rucksack lag noch hinterm Gebüsch, aber so wie die Dinge im Moment standen, konnte sie ihn nicht holen. Darum musste sie sich später kümmern.
    Er drehte sich um und sah sie an.
    «Was sollte denn das?»
    Sibylla zögerte nur wenige Sekunden. Was konnte sie anderes machen als erzählen, wie es war.
    «Sie denkt, ich sei Runes Geliebte gewesen.»
    Er lachte auf. Für einen kurzen Moment wusste sie nicht, ob sie beleidigt sein sollte.
    «Runes Geliebte? Wie kommt sie denn darauf?»
    Er lächelte noch immer und seine Reaktion verwirrte sie.
    «Offensichtlich hatte er eine. Eine, die ihm jede Woche Blumen aufs Grab legt.»
    Sein Lächeln verschwand, und bevor er wieder etwas sagte, seufzte er tief.
    «Kennen Sie Kerstin?», fragte er.
    «Nein.»
    Er warf einen Blick in Richtung Friedhof, wie um sich zu vergewissern, dass sie ihnen nicht gefolgt war.
    «Ich verstehe, wenn Sie ihr das übel nehmen, aber versuchen Sie ihr zu verzeihen.»
    «Ihr zu verzeihen? Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.»
    Er seufzte, als wäre es ihm zuwider, Hedlunds Frau schlecht zu machen.
    « Kerstin legt die Blumen selbst dorthin und hinterher vergisst sie es wieder. Es ist nicht das erste Mal, dass sie auf dem Friedhof Leute beschuldigt. Sie ist nicht mehr dieselbe, seit Rune tot ist.»
    Sibylla starrte ihn an. Vermutlich nahm er ihre Verwirrung wahr, denn ohne dass sie zu fragen brauchte, fuhr

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