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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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unwiderstehlich wie das Totenreich.
    Ihre Glut ist feurig
    und eine Flamme des Herrn.
    Mit einem Mal war ihr klar, dass die Macht nun bei ihr lag.
    Die lodernde Flamme war ihre Waffe.
    Sie hörte etwas im Schlüsselloch kratzen. Sie legte die Bibel zurück und schloss eilends das Fenster.
    «Wenn Sie hereinkommen, lösche ich die Kerze», rief sie.
    Die Krampe legte sich um den Haken. Das Geräusch im Schlüsselloch verstummte.
    « Die brennt wohl schon, seit er tot ist? Oder wie?»
    Nicht einen Ton erhielt sie zur Antwort, aber sie wusste nun Bescheid. Er hatte die Flamme wie ein olympisches Feuer am Brennen gehalten, als lebendiges Andenken an seinen Geliebten.
    Sie hatte sich erneut einen Aufschub verschafft.
    Aber wozu?
    Sie sah sich um.
    Außer dem Bett und der Spiegelkommode gab es in dem Zimmer keine Möbel. Es war mit einem braun melierten Teppichboden ausgelegt, auf dem drei zusammengewürfelte Flickenteppiche lagen. Sie betrachtete das Bett. Vielleicht würde das Laken bis zur Erde reichen? Und dann? Er hätte sie schnell eingeholt.
    Sie trat an die Spiegelkommode und hob den Leuchter hoch. Ganz, ganz vorsichtig und sich vollauf bewusst darüber, dass die lodernde Flamme ihre Versicherung war.
    «Sie können jetzt hereinkommen», rief sie.
    «Dann schließ schon auf.»
    Sie zögerte kurz.
    «Zählen Sie bis drei, bevor Sie hereinkommen. Sonst lösche ich die Kerze.»
    Sie bekam keine Antwort. Der weiche Untergrund dämpfte ihre Schritte, als sie zur Tür ging. Rasch drehte sie den Schlüssel herum und trat zurück.
    Nach drei Sekunden bewegte sich die Türklinke langsam nach unten.
    Dann standen sie sich gegenüber, Auge in Auge, und dazwischen die lodernde Flamme.
    Der Zorn in seinen Augen war nicht zu verkennen. Er hatte die zerquetschte Hand ausgestreckt, und als er auf sie hinuntersah, folgte Sibylla seinem Blick. Quer über die Finger verlief eine tiefe Kerbe und der kleine Finger sah aus, als wäre er ganz ab.
    Keiner von beiden sagte etwas.
    Das Einzige, was sich im Zimmer bewegte, war die Flamme.
    «Warum machst du das?», fragte er schließlich. «Was glaubst du damit zu gewinnen?»
    «Ich will, dass Sie die Polizei anrufen.»
    Er schüttelte den Kopf. Nicht ablehnend, sondern eher als Ausdruck seiner Gereiztheit.
    «Verstehst du nicht, dass dies beabsichtigt war? Wir sind auserwählt, du und ich. Wir können über nichts gebieten ... Stell jetzt die Kerze hin.»
    Sie schnaubte. Der plötzliche Luftstoß traf das Licht vor ihr. Die flackernde Flamme erinnerte sie unliebsam daran, wie gering ihre Überlegenheit war, und mit einem Mal überkam sie diese erdrückende Angst wieder.
    Vielleicht sah er es ihr an, vielleicht roch er es.
    Über sein Gesicht breitete sich ein Lächeln.
    «Wir sind vom gleichen Schlag, du und ich. Ich habe über dich in der Zeitung gelesen.»
    Wie sollte sie bloß hier rauskommen?
    «Sie haben mit einer deiner Klassenkameradinnen geredet, hast du das gelesen?...»
    Draußen würde die Flamme ausgehen. Der Aufschub galt nur im Haus.
    «Ich war auch ein Einzelgänger ...»
    «Wo ist das Telefon?»
    «Schon in der ersten Klasse merkte man, dass ich anders war. Es war uns im Grunde allen klar ...»
    « Drehen Sie sich um und gehen Sie runter, sonst puste ich.»
    Sein Lächeln verschwand, aber er rührte sich nicht.
    «Und dann Sibylla», sagte er ruhig. «Was wirst du dann tun?»
    Eine Ewigkeit verging, und als sie schon glaubte, ihr heftig pochendes Herz würde ihr den Brustkorb sprengen, drehte er sich endlich um. Langsam trat er in die Diele hinaus und sie folgte ihm in ein paar Metern Abstand. Versuchte erfolglos, ihren hektischen Atem zu verhehlen. Eine Stufe nach der anderen. Wie ein umgekehrter Luciazug schritten sie die Treppe hinunter. Sie, die Kerzenflamme schützend, und er mit nach wie vor ausgestreckter blutiger Hand. Ihr zitterten die Knie. Sie versuchte vorauszudenken. Sollte sie ihn telefonieren lassen? Vielleicht wäre es besser, wenn sie das selber machte? Noch vier Stufen. Er war unmittelbar am Fuß der Treppe stehen geblieben.
    «Weiter.»
    Er tat, was sie sagte, und verschwand in der Küche. Der Leuchter war schwer. Sie konnte ihn nicht mehr so hoch halten. Vorsichtig senkte sie ihn, und im selben Augenblick setzte sie den ersten Fuß in den unteren Flur.
    Sie sah ihn nicht.
    «Kommen Sie zur Tür!»
    In der Küche regte sich nichts. Sie wechselte die Hand.
    «Ich lösche die Kerze.»
    Ihr war jedoch klar, dass er genauso gut wie sie wusste, wie leer diese

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