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Die Flusswelt Der Zeit

Die Flusswelt Der Zeit

Titel: Die Flusswelt Der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
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Behandlung, ganz besonders seit er wußte, daß es der Hunger gewesen war, der sie auf die Straße getrieben hatte, was er anfangs nicht so einfach hatte glauben können. Viele Prostituierte suchten nach einer Entschuldigung für ihren Beruf – und es hatte immer eine Menge gegeben, die sich davon eine Menge versprochen hatten. Aber ihre Wut auf Smithson und das Verhalten, das sie ihm selbst gegenüber an den Tag legte, deuteten darauf hin, daß sie es ehrlich meinte.
    Er stand auf und sagte: »Ich hatte nicht vor, Ihre Gefühle zu verletzen.«
    »Lieben Sie sie?« fragte Wilfreda und sah zu ihm auf.
    »Ich habe in meinem Leben nur einer einzigen Frau gesagt, daß ich sie liebe«, wich Burton aus.
    »Ihrer Frau?«
    »Nein. Das Mädchen starb, bevor ich sie heiraten konnte.«
    »Und wie lange waren Sie verheiratet?«
    »Neunundzwanzig Jahre, aber das gehört wohl nicht hierher.«
    »Gott verzeihe mir! Sie waren so lange verheiratet, ohne Ihrer Frau einmal zu sagen, daß Sie sie liebten?«
    »Es war nicht nötig«, erwiderte Burton und ließ sie stehen. Die Hütte, in die er ging, war von Kazz und Monat besetzt. Während Kazz bereits selig schnarchte, lag Monat auf einen Ellbogen gelehnt und paffte eine Marihuanazigarette. Er gab diesem Stoff dem Tabak gegenüber den Vorzug, weil es dem Tabak, den er von seinem Heimatplaneten kannte, ähnlicher war.
    Jedenfalls wirkte die Droge so gut wie überhaupt nicht auf ihn. Irdischer Tabak hingegen gaukelte ihm, wie er sagte, gelegentlich farbige Visionen vor.
    Burton entschloß sich, den Rest des – wie er es nannte – Traumgummis aufzuheben. Statt dessen zündete er sich eine Zigarette an, er sagte sich wohl, daß Marihuana seine unterdrückte Wut und Frustration nur noch verschlimmern würde, aber es war ihm gleichgültig. Er stellte Monat einige Fragen über seinen Heimatplaneten Ghuurrk. Obwohl ihn das Thema interessierte, begann das Marihuana allmählich zu wirken. Monats Stimme wurde leiser und schien sich immer weiter von ihm zu entfernen.
    »… und jetzt, Jungs«, sagte Gilchrist in seinem breiten, schottischen Akzent, »Haltet euch die Augen zu!«
    Richard musterte Edward. Edward grinste. Er bedeckte zwar die Augen mit den Händen, ließ es sich aber nicht nehmen, zwischen den Fingern hindurchzulugen. Richard tat es ihm gleich und blieb weiterhin auf den Zehenspitzen stehen. Obwohl er und sein Bruder auf zwei Kisten standen, mußten sie trotzdem den Kopf recken, wenn er über die Köpfe der vor ihnen stehenden Erwachsenen hinweg etwas sehen wollten.
    Der Kopf der Frau lag jetzt auf dem Block, und das lange, braune Haar fiel ihr übers Gesicht. Richard wünschte sich, jetzt in ihr Gesicht zu sehen. Er fragte sich, welchen Ausdruck es Angesichts des Korbes zeigte, der direkt vor ihr stand und auf sie – oder vielmehr ihren Kopf – wartete.
    »Guckt jetzt nicht hin, Jungs!« sagte Gilchrist erneut.
    Trommelwirbel setzte ein. Irgend jemand stieß einen Schrei aus. Die Klinge schoß nach unten. Die Menge brüllte auf, und da und dort stöhnte jemand. Der Kopf fiel nach vorn. Blut spritzte aus dem offenen Hals und würde niemals versiegen. Es floß über die Menge hinweg, hüllte sie ein, bedeckte sie völlig, obwohl sie mindestens zwanzig Meter vom Ort des Geschehens entfernt stand. Es benetzte Richards Hände, floß über seine Finger, lief über sein Gesicht in die Augen hinein und blendete ihn, er schmeckte es auf den Lippen. Es war salzig. Entsetzt schrie er auf…
    »Aufwachen, Dick!« sagte Monat und schüttelte Burtons Schulter. »Wach auf!
    Hast du einen Alptraum gehabt?«
    Schluchzend und zitternd setzte Burton sich auf. Er rieb aufgeregt die Hände aneinander und berührte dann sein Gesicht. Alles fühlte sich feucht an. Aber es war nur Schweiß, kein Blut.
    »Ich habe geträumt«, sagte er. »Ich war sechs Jahre alt und befand mich in Tours. In Frankreich, wo wir damals lebten. Mein Privatlehrer, John Gilchrist, nahm mich und meinen Bruder Edward zur Hinrichtung einer Frau mit, die ihre ganze Familie vergiftet hatte. Es sei ein Vergnügen, sagte er.
    Ich war natürlich neugierig, und als die letzten Sekunden anbrachen und er uns bat, nicht hinzusehen, wie die Guillotine herabsauste, schaute ich durch meine Finger. Ich konnte einfach nicht anders. Ich erinnere mich, daß mir ein klein wenig übel wurde, aber das war alles, was diese schreckliche Szene in mir an Wirkung auslöste. Irgendwie schien ich bei dieser Sache gar nicht richtig anwesend zu sein; mir

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