Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
Einleitung
Wenn Sie einen Roman, eine Erzählung, ein Hörspiel oder ein Drehbuch schreiben, wünschen Sie sich nichts mehr, als den Leser, Hörer oder Zuschauer zu fesseln, damit er das Buch nicht zuklappt oder einfach abschaltet. Spannung kann durch verschiedene Mittel erzeugt werden, ein ganz wichtiges ist die starke emotionale Wirkung eines Textes – das Herzklopfen, mit dem wir das Schicksal des Protagonisten verfolgen, die Tränen, die uns rühren, oder tragische Wendungen, die uns bewegen. Wie man Emotionen beim Schreiben bewusst gestalten und wirkungsvoll einsetzen kann, darum geht es in diesem Buch. Denn Literatur zu schreiben, bedeutet auch, emotionalen Erfahrungen eine sprachliche Form zu geben.
Was sind Gefühle? Im Sprachgebrauch vermischt sich die Bedeutung der Wörter Emotion, Gefühl, Affekt, Empfindung, sie werden von verschiedenen Theoretikern unterschiedlich definiert.
Emotionen sind Gemütsbewegungen und seelische Erregungen. Sie beschreiben aktuelle Zustände, in denen ein Mensch sich befinden kann.
Empfindungen sind Sinneseindrücke und Körperempfindungen wie warm und kalt, hart und weich, Druck und Sog.
Nach Wilhelm Wundt (1832-1920) sind Gefühle entweder negativ oder positiv, Empfindungen jedoch nicht.
Ein Affekt ist ein Zustand starker emotionaler Erregung. In der Alltagssprache handelt es sich um eine kurze, heftige Emotion. In der Psychologie wird der Begriff Affekt aber auch im Gegensatz zur Kognition gebraucht und umfasst Emotion, Stimmung und Motivation.
Wenn wir hier von Gefühlen und Emotionen sprechen, meinen wir die gedankliche und sprachliche Umsetzung von Gemütszuständen, die wir als Freude, Trauer, Wut und Angst in zahlreichen Differenzierungen, Misch- und Unterformen wahrnehmen.
In der Literaturwissenschaft wird gefühlvolle Literatur oft mit kitschiger oder trivialer Literatur gleichgesetzt. Dabei wird aber vernachlässigt, dass es selbstverständlich auch bei der Formung, Darstellung und Vermittlung von Emotionen Qualitäts- und Niveauunterschiede gibt. Wie aber kann man emotionale Qualitäten erfassen? Für Goethe gab es einen spürbaren Zusammenhang von Gefühlen und Farben, andere sehen Analogien zur Melodie und zum Klang.
Sobald man versucht, diese Sphären zu beschreiben, zu erklären, zu analysieren und zu systematisieren, stößt man an Grenzen. Verschiedene Forscher aus Philosophie, Psychologie und Kulturwissenschaft haben versucht, die Emotionen zu kategorisieren, doch immer bleiben dabei Unklarheiten, die sich selbst durch philosophische Theorien nicht auflösen lassen. Das kann meiner Ansicht nach auch gar nicht gelingen, denn rationale und emotionale Codes sind grundsätzlich verschieden. Um Emotionen zu erfassen, braucht man die Sensorik, der Körper ist einbezogen. Wahrnehmungen von Farbe, Temperatur oder Klang stehen in Wechselwirkung mit Form und Gestalt. Sie lassen sich durch Kunst ausdrücken, verarbeiten und produzieren, sind aber schlecht durch rationale Analysen erfassen. Die Formen, die durch die ästhetische Übertragung von emotionalen Erfahrungen entstehen, sind – um noch einmal Goethes Denken aufzugreifen – so allgemein und zugleich so individuell wie das Blatt eines Ginkgobaumes.
Spätestens seit Daniel Goleman seinen Bestseller über die emotionale Intelligenz geschrieben hat, wissen wir, dass Gefühlen ein Intellekt und eine Logik innewohnt und dass es Gemeinsamkeiten gibt, über die man sich verständigen kann. Aber dies steht immer noch im Widerspruch dazu, dass Gefühle subjektiv und individuell erfahren werden. Kaum jemand reagiert auf dasselbe Ereignis mit derselben emotionalen Intensität. Was den einen stark berührt, lässt den anderen kalt. Der eine geht zehnmal in denselben Film und weint immer an derselben Stelle, ein anderer weint gar nicht. Ein Roman ist für den einen Leser eine Offenbarung, für den anderen nichtssagend. Und doch ist Kommunikation über die wichtigsten Gefühle der Menschen möglich. Ein Film, der Angst macht, der rührt, der erheitert, welche Gefühle angesprochen werden, darüber kann man reden, auch wenn man Gefühle nicht vollständig kategorisieren kann.
Was bestimmt die Tonlage oder die Färbung eines Textes? Wie kommt die Stimmung hinein? Wie kann ich in meinen Texten Gefühle literarisch wirkungsvoll erzeugen? Welche Gefühle gibt es? Solche Fragen möchte dieses Buch beantworten und Ihnen anhand vieler Beispiele praktische Schreibanregungen geben.
1. Emotionen und Schreiben
Gefühle
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