Die Flusswelt Der Zeit
Hornfisches an den Enden seiner Pfeile. In einer Welt, in der keine Vögel existierten – und es somit auch keine Federn gab –, boten sie einen günstigen Ersatz. Greystock – oder Lord Greystoke, wie Burton ihn aus einem etwas amüsierten Gefühl heraus zu nennen pflegte – hatte sich als guter Mann entpuppt, wenn es zu Kämpfen kam oder harte Arbeit zu tun war. Er war ein interessanter Unterhalter, hatte eine Menge von unanständigen Geschichten auf Lager und steckte voller Anekdoten über die Gascogne, die Frauen oder seinen ehemaligen König Edward.
Natürlich war er auch die beste Informationsquelle über seine Zeit, die man sich nur wünschen konnte. Aber er konnte ebenso dickköpfig und in gewissen Dingen auch engstirnig sein. An Sauberkeit schien es ihm auch nicht sonderlich zu liegen. Er behauptete zwar, in seinem früheren Dasein ausgesprochen fromm gewesen zu sein – was möglicherweise der Wahrheit entsprach; würde er sonst dem Gefolge des Patriarchen von Jerusalem angehört haben? –, aber nun, nachdem sich sein Glaube als Luftblase erwiesen hatte, gehörten Priester zu den beliebtesten Objekten seines Hasses. Nichts machte ihm mehr Spaß, als Priester, die ihm über den Weg liefen, mit seinem Hohn und Spott zu reizen – in der Hoffnung, daß sie ihn angreifen würden. Manche, die dies taten, waren danach dem Tod näher als dem Leben. Zwar hatte Burton versucht, dies zu unterbinden (allerdings in sanftem Tonfall; denn wer einem Greystock gegenüber ausfällig wurde, tat das besser nur, wenn er auch bereit war, auf Leben und Tod mit ihm zu kämpfen), aber alles, was er ihm vermitteln konnte, war, daß man sich als Gast in einem fremden Land benahm, wie es sich für Gäste geziemte – zumal wenn die Gastgeber ihnen zahlenmäßig überlegen waren. De Greystock gab Burton in dieser Beziehung recht, aber er konnte es sich dennoch nicht verkneifen, jedem Betbruder zumindest einige bissige Bemerkungen an den Kopf zu werfen. Glücklicherweise hielten sie sich nicht oft in Gebieten auf, wo es christliche Priester gab, und die meisten von ihnen gaben sich ohnehin nicht als solche zu erkennen.
Neben dem Briten stand dessen derzeitige Frau. Sie war 1637 als Mary Rutherford geboren worden und 1674 als Lady Warwickshire gestorben. Auch sie war Engländerin, stammte aber aus einer Zeit dreihundert Jahre nach De Greystocks Leben, weswegen es ständig zu heftigen Differenzen in ihrem Handeln und wegen des Benehmens kam. Burton rechnete damit, daß die beiden nicht mehr allzu lange zusammenbleiben würden.
Kazz hatte sich auf dem Deck ausgestreckt. Sein Kopf lag auf dem Schoß Fatimas, einer türkischen Frau, die der Neandertaler vierzig Tage zuvor während einer Essenspause an einem Gralstein kennen gelernt hatte. Fatima war, wie Frigate es ausdrückte, »geil auf Haare«, und das schien in der Tat die einzige Erklärung dafür zu sein, daß die ehemalige Frau eines Bäckers aus Ankara – die dem siebzehnten Jahrhundert entstammte – mit einer ungewöhnlichen Besessenheit an Kazz hing. Obwohl sie nahezu alles an ihm aufregend fand, war es doch Kazz’ Haar, das sie in wahre Ekstase versetzte.
Das verwunderte nicht nur die anderen, sondern auch Kazz selbst. Während der ganzen langen Schiffsreise hatte er nicht ein einziges Mal eine Frau seiner Spezies gesehen, obwohl er davon gehört hatte, daß es einige geben sollte.
Die meisten Frauen hielten sich – seines tierhaften Äußeren und der starken Behaarung wegen – von ihm fern. Bevor er auf Fatima gestoßen war, war es ihm nicht gelungen, eine ständige Gefährtin zu finden.
Der kleine Lev Ruach lehnte sich gegen die Bugreling und bastelte aus der Haut eines Hornfisches eine Schleuder. Neben ihm auf dem Boden stand ein kleiner Beutel, der etwa dreißig ausgewählte Steine enthielt, die er an ihrem letzten Haltepunkte gesammelt hatte. Er unterhielt sich mit Esther Rodriguez, deren weiße Zähne blitzten, während sie ununterbrochen redete.
Esther hatte Tanya ersetzt, die Lev, noch bevor die erneut aufgebrochen war, unter dem Pantoffel gehabt hatte. Obwohl Tanya eine hübsche und respektgebietende kleine Frau gewesen war, hatte sie dennoch nicht damit aufhören können, Lev nach ihren Maßstäben zu erziehen. Nachdem Lev herausgefunden hatte, daß sie bereits ihren Vater, einen Onkel, zwei Brüder und ebenso ihre beiden Ehemänner nach ihrem Gusto zu formen pflegte, konnte er sich den Konsequenzen nicht mehr widersetzen. Ihre laute Stimme, die
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