Die Fotografin
entlang, bleibt an der Treppe stehen. „Wo ist denn nun dieses Foto?“
„Im Keller.“ Ich schließe die Haustür und lehne mich mit dem Rücken dagegen, um mich zu sammeln. Marions Verhalten wirkt ziemlich hektisch, wo sie doch ansonsten immer sehr cool ist. So kenne ich meine beste Freundin gar nicht.
„Bist du alleine?“, ruft Marion, während sie die Kellertreppe hinunterläuft und wartet meine Antwort erst gar nicht ab. „Wann kommt Gregor zurück?“
„Was ist eigentlich los?“, platze ich heraus und folge ihr nach unten. Dort sehe ich Marion mit tropfnassen Haaren und verschmiertem Make-up wie eine düstere Hexe vor der Kiste auf dem Boden knien. In der Hand hält sie unser altes Abifoto.
„Dachte ich es mir doch!“, zischt sie und fährt sich durch ihre wirren Locken. „Da hast du jetzt aber eine ziemliche Scheiße am Hals, Liebes!“
„Kannst du mir sagen, was das alles eigentlich soll?“ Doch Marion reagiert nicht auf meine Frage. Noch immer hockt sie zusammengekauert auf dem Boden und starrt auf das Foto.
„Dir ist diese Ähnlichkeit wohl nie aufgefallen!“, murmelt sie. „Du ziehst dich ja in deine Traumwelt zurück, wenn es Schwierigkeiten gibt. Das war schon immer so!“
„Was ist mir nie aufgefallen?“ Ich verstehe Marion überhaupt nicht, doch langsam macht sie mir Angst.
„Na diese Ähnlichkeit!“ Sie deutet auf das Foto, doch ich weiß noch immer nicht, was sie meint. Langsam steht Marion auf und schleicht auf mich zu. Ihre strähnig nassen Locken verdecken beinahe ihr ganzes Gesicht und oben am Haaransatz ist bereits wieder das nachwachsende Grau zu erkennen. „Du kannst dich an die Augen erinnern, aber es fehlt dir das Gesicht dazu! Warte, ich werde dir helfen, aber das wird jetzt ziemlich unschön werden, Liebes!“, flüstert sie.
17:20 Uhr
Ein Donnerschlag kracht direkt über unserem Haus und das Licht beginnt zu flackern. Durch das Kellerfenster sehe ich, dass es draußen pechschwarz geworden ist. Plötzlich höre ich, wie oben die Eingangstür geöffnet wird. An den forschen Schritten erkenne ich Gregor und bin ziemlich erleichtert, dass er schon zurück ist. Jetzt brauche ich nicht mehr alleine mit Marion im Keller zu sitzen. Mit meiner besten Freundin, die sich immer seltsamer benimmt.
„Keiner zuhause?“, höre ich Gregors volle Stimme durch das Haus tönen. „Adriana, Liebling. Du wirst doch nicht draußen sein, bei diesem Wetter?“
„Gregor, ich bin hier im Keller!“ Gerade als ich diesen Satz ausrufen will, springt Marion mit einem Satz auf mich, reißt mich zu Boden und hält mir den Mund zu. Ihre nassen Haare kringeln sich wie Schlangen um meine Wangen und ihre blasse Haut ist plötzlich mit hektischen roten Flecken übersät.
„Sei still, wenn dir dein Leben lieb ist!“, flüstert sie und ihre dunklen Augen glitzern unheilvoll. „Ich gehe jetzt hinauf und werde Gregor überraschen. Du rührst dich nicht von der Stelle, bis ich wieder zurück bin. Denke immer daran, ich bin deine beste Freundin, Liebes. Was auch passiert, vergiss das nie!“
17:30 Uhr
Das Prasseln des Regens nimmt an Intensität zu und die Donnerschläge werden immer heftiger. In diesem ganzen Lärm kann ich nicht verstehen, was oben zwischen Gregor und Marion vor sich geht. „Habe ich gefunden“, höre ich Marions kratzig rauchige Stimme und dann Gregors überhebliches Lachen: „Na wenn schon!“
Plötzlich gibt es einen fürchterlichen Knall und im Keller wird es stockdunkel. Sekunden später donnert es so laut, dass unser kleines Reihenhaus bis in die Grundfesten erzittert. Vorsichtig taste ich mich zum Treppenabsatz, um nach oben zu schleichen und nachzusehen, was im Wohnzimmer passiert. Doch dann sehe ich ein rotes Licht, das wie eine Warnung unheilvoll blinkt. Es ist das Notstromaggregat der Gefriertruhe, das nach dem Stromausfall angesprungen ist. Magisch werde ich von der roten Lampe angezogen. Über mir nimmt der Streit im Wohnzimmer an Intensität zu. Ich höre Marion schreien und Gregor keuchen, Glas splittert und etwas Schweres stürzt auf den Boden. Aufgeregte Schritte trampeln über mir so laut, dass ich den Kopf einziehe. Eine Tür knallt, dann vernehme ich ein wütendes Ächzen, gefolgt von einem lauten Schleifgeräusch über den Boden. Dazu prasselt der Regen ständig gegen die Kellerfenster.
Ich stehe noch immer vor der Gefriertruhe und mein Gesicht wird von dem roten Blinklicht erhellt. Jetzt hätte ich gerne meine Kamera bei mir, um mein Gesicht
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