Die Fotografin
einfach den Tatsachen ins Auge sehen. Sie ist ein böser Mensch. Sei froh, dass wir sie los sind!“ Gregor lehnt den Golfschläger an die Gefriertruhe und hält sich mit beiden Händen am Rand fest. Tief saugt er die eiskalte Luft ein.
18:40 Uhr
„Kein Mensch wird von diesem Geheimnis erfahren. Das bleibt ganz unter uns!“ Gregor dreht den Kopf zu mir und im roten Licht der Notbeleuchtung sehen seine schwarzen Augen kalt und tödlich aus.
„Du warst es! Du hast mich in der Wohnung von Talvin niedergeschlagen!“, flüstere ich und schiebe mich am Rand der Gefriertruhe entlang. Natürlich! Es war die Ähnlichkeit zwischen Marions Augen und denen von Gregor, die meine Erinnerung geweckt hat. Jetzt wird mir alles klar.
„Du hast mich in der Wohnung von Talvin niedergeschlagen!“, wiederhole ich und begreife erst langsam die Tragweite meiner Worte. Ist Gregor der Mörder von Talvin?
„Ich habe dir einen Schlag auf den Kopf verpasst, um dich zu retten, mein armer Liebling! Du hast mich in eine ausweglose Situation manövriert, so kurz vor der Wahl. Das verstehst du doch? Nur um dich zu schützen, habe ich das gemacht, bitte verzeihe mir!“, murmelt er und starrt mich unverwandt an, wie eine Schlange, die ihr Opfer hypnotisiert, um es im richtigen Augenblick zu töten…
Ich lasse Gregor nicht aus den Augen und taste nach dem Golfschläger, der am Rand der Gefriertruhe lehnt. Als ich den Griff in meiner Hand spüre, durchströmt mich eine ungeahnte Kraft. Ich stoße Gregor zurück und schlage ihm das Eisen über den Schädel. Er ist völlig überrascht von meiner plötzlichen Stärke, schreit laut auf vor Schmerz und hält sich mit beiden Händen den Kopf. Im Zurückweichen stolpert er über einen Karton, fällt auf den Rücken und diesen Augenblick nutze ich. Ich rase die Kellertreppe hinauf, stürze den Flur entlang zur Eingangstür. Doch die Eingangstür ist verschlossen und kein Schlüssel steckt. Also muss ich nach hinten in das Wohnzimmer, um von dort aus in den Garten zu gelangen.
18:50 Uhr
Plötzlich steht Gregor wie ein unüberwindliches Hindernis vor mir in dem engen Flur und ballt die Fäuste. Sein Gesicht ist blutüberströmt, doch das scheint ihn nicht weiter zu stören.
„Gib mir das Eisen, Adriana! Du bist krank! Aber es kann dir nichts passieren. Ich rufe jetzt Hans an, der bringt dich in die Klinik. Dann erkläre ich alles der Polizei. Einverstanden, mein kleiner Liebling?“
Gregor bemüht sich seiner Stimme einen ruhigen und besonnenen Tonfall zu geben, aber das steht im krassen Gegensatz zu dem Blut, das ihm aus der Kopfwunde über die Wange bis zum Hals herunterläuft und auf seinem Hemd eine blutrote Spur der Gewalt hinterlässt.
Gregor ist ein völlig anderer Mensch geworden. Ich kenne ihn plötzlich nicht mehr. Sein Blick flackert und seine Selbstsicherheit ist einer nur mühsam unterdrückten Wut gewichen. Immer wieder leckt er sich über die Lippen und es sieht fast so aus, als würde er das Blut wieder aufsaugen, das ihm über das Gesicht läuft. Langsam geht er auf mich zu, erinnert mich an ein Raubtier, das nur auf die richtige Gelegenheit wartet, um zuzuschlagen und seinen Gegner zu töten.
„Ich rufe jetzt Isabelle Wagner an!“, schreie ich laut, weil mir im Augenblick niemand sonst einfällt. „Bleib zurück!“, kreische ich, als Gregor noch einen Schritt in meine Richtung macht und fuchtle mit dem blutverschmierten Golfschläger vor ihm herum.
„Isabelle Wagner versteht mich!“, wiederhole ich und nehme das Handy vom Tisch auf dem Flur, wo ich es hingelegt hatte, als Marion vor der Tür stand. „Isabelle Wagner ist Polizistin und wird alles wieder in Ordnung bringen“, wiederhole ich stereotyp, um mir selbst Mut zuzusprechen.
„Adriana! Diese kleine Scheiß-Polizistin kann nichts in Ordnung bringen, aber ich! Also, verdammt noch einmal, gib mir endlich den Golfschläger oder muss ich kommen und ihn mir holen?“, zischt er mit einem eisigen Unterton. „Du weißt, das wird dann schmerzhaft für dich!“
Jetzt ist mein Mann also wieder wütend geworden, so wie damals zu Beginn unserer Ehe, als er mich einmal niedergeschlagen hatte, weil ich mit einem anderen Mann ein wenig zu intensiv flirtete. Das hatte ich völlig verdrängt, doch jetzt bricht dieses Erlebnis mit aller Macht aus meinem verschütteten Unterbewusstsein. Unter Tränen hat Gregor damals um Verzeihung gebettelt und da ich schon mit Paul schwanger war, habe ich nachgegeben. Das hätte ich nicht
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