Die Frau des Germanen
Räume. Seine Tochter Thusnelda schlief in ihrer winzigen Kammer, die ihr allein gehörte, auf
einem Podest, das mit Fellen bedeckt war. Inaja verbrachte die Nacht zu ihren Füßen auf dem Steinboden, in ihren wollenen
Umhang gehüllt. Das Haus des Fürsten hatte auch keine Wände aus lehmbeworfenem Flechtwerk wie die anderen Häuser der Eresburg,
sondern bestand zur Gänze aus Holz. Jeder Raum hatte schmale Windaugen, die im Sommer Licht und Wärme hereinließen und im
Winter verhängt wurden. Nur in der Küche war darauf verzichtet worden, denn sie hatte eine offene Feuerstelle in der Mitte,
die nicht nur Wärme-, sondern auch Lichtquelle war. In der gesamten Eresburg war das Haus des Fürsten das größte, schönste
und komfortabelste.
Thusnelda öffnete die Augen, als Inaja die geflochtenen Zöpfe um ihren Kopf legte und mit hölzernen Nadeln feststeckte.
»Segimer ist krank«, sagte Thusnelda unvermittelt. »Es sieht so aus, als warteten die Walküren bereits in Walhalla auf ihn.«
Thusnelda merkte gleich, dass sie Inaja keine Neuigkeit erzählte. Wie so oft erfuhren die Mägde und Knechte während |23| ihrer Arbeit in Haus und Garten eher, was auf den benachbarten Burgen geschah, als ihre Herrschaften.
»Es heißt, man habe bereits nach Arminius und Flavus rufen lassen«, wusste Inaja zu berichten.
»Dann scheint es wirklich schlecht um ihn zu stehen.« Thusnelda legte die wollenen Tücher ab und ließ sich von Inaja ihren
Rock, ihre Bluse und das Umschlagtuch reichen. »Segimer wird seine Nachfolge regeln wollen. Auf den Fürstenthron wollen ihm
viele folgen – nicht nur seine Söhne.« Sie wehrte ab, als Inaja ihr helfen wollte, und schlang eigenhändig den Gürtel über
den Rock und die Bluse. »Auch andere Fürstensöhne drängen nach. Vor allem Segimers Bruder streckt schon die Hände aus.«
Inaja nickte. »Das habe ich kürzlich auch Euren Vater erzählen hören.«
Thusnelda lächelte, als würde ihr wieder einmal klar, wie viel das Gesinde von seinen Herren wusste. »Für Segimer jedoch ist
nie ein anderer Nachfolger als sein ältester Sohn in Frage gekommen«, sagte sie. »Hoffentlich bleibt ihm noch Zeit genug,
ihn als zukünftigen Fürsten auszurufen.«
Sie war die Schönste von allen. Ihre schwarzen Locken umrahmten ihr schmales, mit Kreide aufgehelltes Gesicht, große schwarze
Augen glühten darin, ihre mit Weinhefe geröteten Lippen lächelten, sie trug den Kopf hocherhoben. In eine weißseidene bodenlange
Tunika war sie gehüllt, die in der Taille und unter den Brüsten gegürtet war. Eine edelsteinbesetzte Fibel funkelte auf ihrer
linken Schulter. Wenn sie sich bewegte, veränderte sich der Faltenwurf ihrer Tunika, warf Schatten auf ihre Hüften, glänzte
hell über ihren vollen Brüsten. Tief atmete sie nun ein, und die Spitzen ihrer Brüste lösten den Faltenwurf der Seide für
Augenblicke auf. Dann war es, als hielten die anwesenden Männer den Atem an, so lange, bis die Form ihrer Brüste wieder nur
eine Ahnung war und keine beunruhigende Gewissheit. Das Feuer der Fackeln an den Wänden ließ ihr Haar glänzen und ihre Haut
schimmern.
|24| Sie schlug die Hand ihrer Sklavin zur Seite, deren Aufgabe es war, ihrer Herrin kühle Luft zuzufächern. Aber Severina legte
auf Abkühlung keinen Wert. Sie genoss die Hitze des Feuers, das auf ihrer Haut flackerte, ebenso wie die Hitze, die in ihrem
Körper aufstieg.
Sie machte ein paar Schritte und bemerkte voller Genugtuung, dass Arminius ihr einen Blick zuwarf. Noch ein Schritt, und wieder
irrte sein Blick zu ihr. Beim dritten Mal, als sie nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, sah sogar der Kaiser auf.
Er runzelte ungehalten die Stirn, als er Severinas herausfordernden Blick bemerkte, während Arminius voller Verlegenheit auf
seine Füße sah.
Severina war zufrieden. Arminius hatte angebissen, daran bestand kein Zweifel. Es schien ihm sogar schwerzufallen, sich in
ihrer Gegenwart auf die Worte des Kaisers zu konzentrieren und auf die Zeremonie, deren Mittelpunkt er war. Severina platzierte
sich vor ein Wandgemälde, das mit den goldenen Borten ihrer Tunika harmonierte. Als sie merkte, dass sich viele aufmerksame
Blicke auf sie gerichtet hatten, setzte sie einen ihrer zarten Füße vor, die in bestickten Ledersandalen steckten, und fuhr
mit der Spitze den Mosaiken des Fußbodens nach. So, als wäre sie in Gedanken, als nähme sie nicht wahr, was um sie herum passierte.
Aber
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