Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
darin unterstützte, den Bürgern mehr oder minder nützliche Reliquien zu verkaufen.
Über eine holprige Handelsstraße schaukelte unser Wagen auf Osnabrück zu. Ich trieb die betagte Stute Brunhilde lautstark voran, doch das Tier blieb stur, setzte gemächlich einen Huf vor den anderen und hob zudem ihren Schweif, um mir trotzig einen übelriechenden Wind entgegenzuschleudern. Pferde, so sagt man, haben das Furzen zu einer hohen Kunst entwickelt. Brunhildes rege Verdauung erwies sich als überzeugender Beweis für diese Behauptung.
Unter Fanfaren aus dem Pferdearsch erreichten wir also Osnabrück, wo wir uns auf dem Platz vor dem südlich gelegenen Johannistor niederließen. Viel Beachtung schenkte man uns nicht, denn die Bürger waren damit beschäftigt, diesen Platz für das Fest des Vogelschießens herzurichten. Inmitten einer Reihe von mit bunten Girlanden verzierten Zelten und Bretterbuden thronte ein großer Holzvogel, der aneinem hohen Mast befestigt worden war. An ihm würden sich die Schützen der Stadt messen. Gewiss waren auch Männer aus den umliegenden Ortschaften nach Osnabrück gekommen, um bei diesem Wettstreit das letzte Stück des Vogels herunterzuschießen und als König der Schützen einen Preis zu erhalten.
Doch nicht nur junge Burschen mit ihren Armbrüsten und Hakenbüchsen lockte dieses Fest in die Stadt, auch zahlreiche Händler, Musikanten, Schausteller und Gaukler fanden sich in Osnabrück ein, darunter auch meine Gefährten und ich. Wir hatten vor, eine knappe Woche hier zu verweilen, danach würden wir zur nächsten Stadt weiterziehen.
Menschen wie uns nennt man Fahrende. Böse Zungen bezeichnen uns hingegen als Parasiten, Schmarotzer oder Strolche. Doch seien wir ehrlich: Was wären die Jahrmärkte und Volksfeste ohne die heitere Schar der Possenreißer, Taschenspieler, Kunstreiter oder Tänzer? Wohl nichts als eine Ansammlung halsstarriger Kaufleute und zerknirschter Bürger, die doch insgeheim allesamt nach Zerstreuung suchen.
Jedermann erfreut sich an unserem bunten Treiben, bestaunt das artistische Geschick und kichert über die frechen Reime der Komödianten. Ist es da im Grunde nicht verwunderlich, dass man uns Fahrende zu den verfemten Berufen zählt? Man stellt unsauf eine Stufe mit unehrenhaften Gesellen wie Abdeckern, Totengräbern, Hundeschlägern und Henkern und spricht uns jegliche Rechte ab. Überführt man uns einer geringen Verfehlung, so müssen wir mit den schlimmsten körperlichen Züchtigungen rechnen. Doch wird uns Ehrlosen ein Unrecht zugefügt, braucht der Übeltäter keine harte Strafe zu befürchten.
Vor einiger Zeit berichtete mir ein Taschenspieler, dass sein Weib bei einem Aufenthalt in Erfurt von einem wohlhabenden Zunftmeister geschändet worden war, als sie in seinem Haushalt einige Arbeiten verrichtet hatte. Der Taschenspieler erstattete Anzeige beim Rat, und tatsächlich wurde seiner Klage stattgegeben. Daraufhin wurde der Zunftmeister angewiesen, sich vor eine sonnenbeschienene Wand zu stellen, und der Taschenspieler erhielt die Erlaubnis, dem Schatten des Verurteilten dreimal an den Hals zu schlagen. Damit war die Schuld abgegolten.
Aber ich will nicht über dieses Unrecht jammern. Im Grunde gefällt mir mein Leben als Verfemter. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ich habe kein Handwerk erlernt, und meine einzige Begabung ist es, die Menschen galant mit Worten und Gesten zu umschmeicheln, so dass es mir häufig gelingt, ihnen jeglichen Unrat für eine gute Münze zu verkaufen.
Ein Trost ist es mir, dass meine Begleiter in keinembesseren Licht stehen. Reynold, der rund zwanzig Jahre älter ist als ich, bezeichnet sich als Arzt, doch ich habe niemals miterlebt, dass er einem Kranken helfen konnte. Zumeist verkauft er auf den Jahrmärkten nur seinen als alchemistische Universalarznei angepriesenen Theriak – ein nutzloses Gebräu aus Wasser, Anis und Kümmel. Oder er bietet den Männern und Frauen gegen ihre Leiden absonderliche Mittel zur Vertreibung der Krankheitsdämonen an, die er aus unappetitlichen Bestandteilen wie gedörrten Kröten, verbrannten Maulwürfen, Ziegenkot oder Schlangenfett zusammenmischt.
Sein äußeres Erscheinungsbild weckt nicht unbedingt Vertrauen. Da ihm ein Ohr fehlt, zieht er zumeist eine Gugel über seinen Kopf. Die hässlichen gelben Zahnstümpfe und sein fauliger Atem lassen sich allerdings nicht so leicht verbergen. Zudem bringt ihn sein loses Mundwerk immer wieder in arge Schwierigkeiten. Ich bin mit diesem
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