Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
füllte Lampenöl in ein Tongefäß und steckteseine Feuersteine ein. Ich verwandelte mich in einen leidgeprüften Bedürftigen, indem ich mir Erde über das Gesicht rieb, meine Haare zerzauste und mir ein muffiges, zerschlissenes Wams überzog, das wir seit Wochen nur noch als Pferdedecke benutzt hatten.
Mieke trug ich auf, beim Wagen zu bleiben und auf unser spärliches Hab und Gut zu achten. Sie verhielt sich ein wenig bockig, weil sie an unserem Raubzug beteiligt sein wollte, und erst als ich meine Anweisung in einem schroffen Ton wiederholte, fügte sie sich murrend.
Jasmin, Reynold und ich machten uns also auf den Weg zum Barfüßerkloster an der Katharinenkirche. Dort angekommen, deutete Reynold auf ein schlichtes, dreistöckiges Haus, das abseits der Klostermauern lag.
»Das ist der Wirtschaftshof«, sagte er. »Im Keller befindet sich unsere Beute.«
Ich nickte und nahm die Umgebung in Augenschein. Wir brauchten keine Mauern zu überwinden. Das würde uns die Flucht erheblich erleichtern, falls es zu Schwierigkeiten kommen sollte. Auch dass die Straße im Moment menschenleer war, konnte nur ein Vorteil für uns sein. Und wie Reynold es beschrieben hatte, war neben der Hofeinfahrt die Buschhecke zu sehen, die für die nötige Ablenkung sorgenwürde, wenn sie in Flammen stand und eine Rauchwolke in den Himmel stieg.
»Also dann«, raunte ich und wies Jasmin an, sich an einer Mauerecke zu verbergen, bis ich ihr das vereinbarte Zeichen gab. Reynold lief zu der Hofeinfahrt. Mit einem Nicken gab er mir zu verstehen, dass er in wenigen Momenten das Feuer an der Hecke entzünden würde.
Alles war vorbereitet. Ich trat vor das Portal, klopfte an die Tür, und schon einen Augenblick später stand ich einem schmächtigen Mann gegenüber, der sich die Hände an einem Kittel abwischte. Hinter ihm konnte ich zwei weitere Burschen ausmachen, die jeder ein Fass vom Hinterhof herantrugen. Ansonsten schien die Tenne verlassen zu sein.
»Was willst du?«, fragte der Mann.
»Ich erbitte ein Almosen«, sagte ich und streckte die Hand aus. »Erbarmt Euch, guter Herr.«
Der Mann beäugte mich skeptisch und antwortete: »Es gibt festgelegte Zeiten, zu denen wir unsere Küchenreste mit den Bedürftigen teilen. Kehre morgen zur Mittagsstunde zurück, dann fällt davon vielleicht auch etwas für dich ab.«
Er wollte die Tür bereits wieder zudrücken, doch ich hielt ihn zurück und versuchte gleichzeitig auszumachen, ob an der Hofeinfahrt bereits Rauch zu erkennen war.
»Wartet!«, rief ich schnell.
Er grunzte. »Was ist denn noch?«
Rasch überlegte ich mir eine Ausrede, um Zeit zu gewinnen. »Ich habe ein Weib«, behauptete ich. »Sie ist eine gute Seele, die mir sehr am Herzen liegt.«
»Und? Was habe ich damit zu schaffen?«
»Nun ja, sie erwartet ein Kind. Unser erstes Kind.«
»Ist das so?« Sein Tonfall ließ erkennen, dass ihn das herzlich wenig interessierte.
»Sie ist geschwächt und leidet Hunger. Das ist nicht gut in ihrem Zustand.« Ich zog unter meinem Mantel eine hölzerne Schale hervor. »Etwas Milch würde ihr auf die Beine helfen.«
Der Mann überlegte kurz, dann ließ er sich erweichen, nahm die Schale und entfernte sich. Eilig reckte ich meinen Hals und hielt Ausschau nach dem Feuer. Doch dort zeigte sich nicht einmal eine dünne Rauchfahne. »Nun mach schon, Reynold!«, zischte ich. Viel länger würde ich den Kerl an der Tür nicht hinhalten können.
Der Mann kehrte zurück und drückte mir die Schale in die Hand, in der nun etwas Milch schwappte.
»Der Herr danke Euch!«, rief ich laut aus. Als der Mann nickte und die Tür schließen wollte, stemmte ich eilig meine Hand gegen das Holz. »Einen Moment noch.«
Er hielt inne. Noch immer war kein Feuer zu sehen. Reynolds Nachlässigkeit ärgerte mich.
»Was ist nun schon wieder? Willst du aus lauter Dankbarkeit einen Tanz aufführen?«
»Nein«, sagte ich, »aber mir fiel gerade ein, dass mein bedauernswerter Vater in der vergangenen Woche ein Bein verloren hat und …«
»Halt mich nicht zum Narren«, schimpfte der Mann, »sonst ist alles, was du noch von mir bekommst, ein Tritt in den Hintern.« Mit diesen Worten wurde mir die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Ich seufzte bitter über diese verpasste Gelegenheit und stapfte wütend zur Hofeinfahrt, um Reynold zurechtzuweisen. Seltsamerweise fand ich dort nur das Gefäß mit dem Öl, das auf dem Boden umgekippt war und seinen Inhalt über die Erde vergossen hatte. Von Reynold aber fehlte jede
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