Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition)
half mir den Tisch decken, während Don Quijote, auf seine Lanze gestützt, jedes Mal wie eine bronzene Figur aufleuchtete, wenn es draußen blitzte. Sancho begann zu essen, biss so gierig abwechselnd in die Salamistange und das Baguette, dass er kaum noch Luft kriegte.
»Beim Essen vergessen sich die Esel«, sagte Don Quijote verächtlich.
Bald fanden er, Ibn Aristo und Sancho Gefallen an den Oliven, am Käse und Wein, und nachdem die Herren ihren Hunger gestillt hatten, bat ich sie in das Wohnzimmer, um dort den Wein mit salzigen Pistazien zu genießen. Sancho warf sich mitsamt seinen nassen Kleidern auf das kleinere Sofa. Das Kaminfeuer bemalte sein unrasiertes Gesicht mit der rötlichen Farbe der Unschuld eines Kindes.
»Du kannst nicht all das verschweigen, was du in den Jahren erlebt hast. Dafür habe ich mich nicht an deine Seite gestellt«, hob Don Quijote an.
»Ach, da wäre ich aber um ein paar Schläge weniger glücklicher«, murmelte Sancho, gähnte herzhaft und drehte sich um. Bald hörte man ihn leise schnarchen.
»Ja, du musst unbedingt von deinen Feinden erzählen und wie du sie mit meiner Hilfe einen nach dem anderen erledigt hast. Du musst davon erzählen, sonst sieht das alles nach einer rosaroten Wolke der Glückseligkeit aus. Weil ich dich seit einer Ewigkeit begleite, weiß ich, dass du noch ganz andere Dinge außer der Sprache zu bewältigen hattest.«
»Aber wir sind doch hier nicht in einer Klatschrunde. Hier, bei einer Grimm-Professur, zählt nur die Leistung und das Wissen«, sagte Ibn Aristo, »und darüber haben wir zur Genüge gesprochen.«
»Die Kämpfe, oh Feigling«, rief Don Quijote empört und seine Augen glühten röter als das Holz im Kamin, »gehören zum Wissen, und meine Kämpfe für die Ehre sind auf der ganzen Welt bekannter als alle spanische Wissenschaft der vergangenen Jahrhunderte.«
»Oh, und meine blauen Flecken auch?«, fragte Sancho, der durch die laute Stimme seines Herrn kurz aufgewacht war. Aber er schlief sofort wieder ein.
»Du musst auf jeden Fall von den Frankfurter (1990) und Züricher (2000, 2009) Gemeinheiten berichten. Aber wenn du das nicht willst, dann erzähl zumindest die jüngste Gemeinheit aus Kairo (2010), wo sich deine deutschen Feinde sogar mit dem Geheimdienst zusammengetan und das Goethe-Institut missbraucht haben, um dir eins auszuwischen, und wäre ich nicht aufgetreten und hätte sie zusammengestaucht, so könnte man nicht …«
»Nein, nein, lieber Don Quijote«, antwortete ich, »ich muss Ibn Aristo dieses Mal recht geben. Das werden die Biographen anhand der Dokumente genug zu würdigen wissen, aber angesichts der knappen Zeit möchte ich das weglassen.«
»Vielen Dank«, sprach Ibn Aristo. »Stellen wir, um Zeit zu sparen, eine letzte, aber wichtige Frage: Warum hat die übersetzte arabische Literatur hier kaum Fuß gefasst? Du hast ja etwa in der Mitte deiner Rede versprochen, darüber zu reden.«
»Ja«, antwortete ich, »vielen Dank, ich habe es beinahe vergessen. Man kann darüber natürlich einen ganzen Abend reden oder einen langen Essay schreiben. Und ich habe auch immer wieder darüber geschrieben.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Ibn Aristo, »entschuldige bitte. Aber nehmen wir einmal an, ein Deutscher hat nichts gegen den Islam und gegen die Araber. Er hat keine Angst vor beiden Kulturen und will all die dunklen Seiten der Geschichte vergessen. Er will die arabische Literatur kennenlernen und genießen. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass in den letzten fünfzig Jahren Hunderttausende von Menschen genau das versucht haben, mit den besten Absichten, und dennoch ist es ihnen nicht gelungen, die arabische Literatur in den Mittelpunkt des Marktes zu hieven. Auch nicht nach 2004, als die arabischen Länder Gast bei der Frankfurter Buchmesse waren. Warum ist das nicht möglich?«
»Ich mache eine dritte Einschränkung, damit wir Zeit sparen und zum Kern der Misere vordringen«, sagte ich. »Mich interessieren hier die Autoren und Autorinnen nicht, die im Kopf noch kolonialisiert sind – und das ist die schlimmste Folge des europäischen Kolonialismus. Sie produzieren nichts Originelles, sondern ahmen, wie ich am Anfang meiner Rede erwähnt habe, Thomas Mann, Franz Kafka, Honoré de Balzac, Ernest Hemingway, Maxim Gorki und zuletzt Gabriel García Márquez nach. Sie werden zu kleinen Kafkas und winzigen Hemingways, aber sie hinterlassen keine Spuren, weder in ihrer eigenen Sprache noch in irgendeiner
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