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Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition)

Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition)

Titel: Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Fremdsprache.
    Mich interessieren Autoren, die trotz ihrer originellen Werke bei den Lesern in Deutschland nicht ankommen.«
    »Und nichts anderes wollte ich hören, denn nur das ist spannend für mich«, bestätigte Ibn Aristo strahlend.
    »Der erste Grund ist und bleibt: die grottenschlechten Übersetzungen. Ich kenne einen Übersetzer, nennen wir ihn ›Makler Harry‹, weil er, statt besser Arabisch und Deutsch zu lernen, inzwischen mit Literatur handelt und mit Übersetzungsrechten schachert. Harry hat bereits über fünfzig Romane übersetzt. Man kann keinen einzigen davon genießen. Warum? Der Mann beherrscht die arabische Sprache nur schlecht. Das kann man noch verzeihen. Arabisch ist eine sehr schwierige Sprache, aber der Mann hat libanesische, syrische, ägyptische, libysche, sudanesische, jemenitische und andere arabische Autoren, Männer wie Frauen, so übersetzt, dass man nicht einen winzigen Unterschied ihrer Sprachen erspüren kann. Ich möchte euch und meine Leser nicht mit Details langweilen. Kurz gesagt, er hat das Original zurechtgebogen und mit seinem Bürokratendeutsch neu geschrieben. Und deshalb haben alle Romane denselben Atem, seinen Atem, und der riecht nicht besonders gut. Und weil ein Tunesier nun wie ein Libanese klingt, wie ein Sudanese, wie eine Ägypterin, wird er überflüssig. Das ist inzwischen auch vielen arabischen Autoren klar geworden, aber die Jahre sind einfach vergeudet und die Chancen verpasst.
    Wäre das der einzige Fehler, könnte man vielleicht noch hoffen, man würde durch den Brei zu den Rosinen der Autoren vordringen und ihre Erzählkunst kennenlernen. Nun aber kommt der zweite Faktor. Die guten Autorinnen und Autoren der arabischen Länder haben mehr oder weniger den starken Einfluss der mündlichen Erzählkunst beibehalten. Da die Übersetzer aber keine Ahnung von dieser mündlichen Erzählkunst haben, würgen sie die deftigen, lebendigen Geschichten ab und verwandeln sie in schriftliche europäische Geschichten, und das ist der größere Verlust. Die Texte klingen seelenlos. Die Aufforderung des genialen Goethe: ›Beim Übersetzen muss man bis ans Unübersetzliche herangehen; alsdann wird man aber erst die fremde Nation und die fremde Sprache gewahr‹, klingen wie eine vernichtende Kritik dieser Übersetzer, die nicht einmal die Grenze des Übersetzbaren erreichen.
    Ein trauriges Beispiel genügt, um diesen Verlust darzustellen. Emil Habibi (1922–1996) war einer der besten Kenner der mündlichen Erzählkunst. Ich habe von kaum einem arabischen Autor der Gegenwart mehr gelernt als von ihm. Er war auch einer der größten palästinensischen Autoren in Israel. Er schrieb eine geniale Satire, die 1974 erschien und in allen arabischen Ländern bejubelt wurde. Der Titel allein ist ein Witz: der »Pestimist«, arabisch »Mutascha’el«, eine Mischung aus Pessimist (Mutascha’em) und Optimist (Mutafa’el). Es ist eine Mischung aus alten Mythen, arabischen Legenden, Volksgeschichten, Märchen, Geschichte, Politik, Weisheiten, Psychologie, Lyrik, Science-Fiction und moderner schwarzer Satire. Ich las das Buch mehrmals, und jedes Mal musste ich Tränen lachen. Seine Sprache ist das schönste Element dieses Romans, eine urarabische, lyrische,schonungslose Sprache. Die arabische Literaturkritik sang die höchsten Lobeslieder auf den Roman.
    Sieben Übersetzer, darunter auch der oben erwähnte Fließbandübersetzer Harry, hockten mit ihrem Hintern auf der Brust dieser exzellenten arabischen Geschichte und erstickten jedes Lachen, jeden feinen Bezug zu alten Geschichten und jedwede Verbindung zur mündlichen Erzählkunst, und was kam heraus? Eine bürokratisch-akademische Übersetzung ihrer eigenen Langeweile, die den Tag ihres Erscheinens nicht überlebt hat. Um den großen Meister noch ein letztes Mal in diesem Zusammenhang zu bemühen. Goethe schreibt in seinen » Maximen und Reflexionen « : »Übersetzer sind als geschäftige Kuppler anzusehen, die uns eine halbverschleierte Schöne als höchst liebenswürdig anpreisen: Sie erregen eine unwiderstehliche Neigung nach dem Original.« Diese sieben Übersetzer haben eine Krämerseele, und deshalb werden sie nie die Worte eines Kosmopoliten, einer Weltenseele wie Goethe verstehen. Sie haben eine der schönsten Literaturen der Welt wortreich erstickt und wundern sich, dass die Leiche keine Neugier beim Publikum erzeugt.
    Warum soll also ein deutschsprachiger Hörer oder Leser solche Übersetzungen kaufen? Er hat auf dem

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