Die Frau im Kühlschrank
in dem letzten Brief? Etwas, das …«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nur das Übliche. Er – er schreibt nicht so viel – das wichtigste ist, daß er schreibt. Daß ich weiß – daß es ihm gutgeht.«
»Ja. Verstehe. Es wird schon gutwerden«, sagte ich. »Wir hören voneinander – sobald ich … Auf Wiedersehen, und – danke.«
»Oh, nichts zu danken.«
Sie machte die Tür fest zu, und ich ging wieder die steile Gasse hinunter. Ich war nicht viel länger als eine halbe Stunde dort gewesen.
2
Es saß ein Mann in meinem Wartezimmer. Er saß da und blätterte in einem der uralten Herrenmagazine, die ich von dem Arzt geerbt hatte, der vor mir dort seine Praxis hatte. Er hatte es in der Mitte beim Girl der Woche aufgeschlagen, und das Heft war so alt, daß das Mädchen eine Bikinihose trug und dem Fotografen den Rücken zuwandte. Als ich hereinkam, legte er die Zeitschrift weg und erhob sich.
»Monsen«, stellte er sich vor. »Harry Monsen. Ich weiß nicht, ob Ihnen der Name was sagt?«
Ich nickte. »Er sagt mir etwas.« Wir gaben uns die Hand.
Er war Ostnorweger und trug einen grauen Anzug mit Weste. Der Schnitt war elegant, urban. Auf dem Stuhl neben ihm lag ein heller Popelinmantel. Er war um die Fünfzig, nicht besonders groß, und das braune Haar sah frisch gewaschen aus. Es hatte genau die richtige Länge über den Ohren und im Nacken. Er war Stammkunde bei seinem Friseur, einmal in der Woche. Die Haut im Gesicht war etwas rötlich, wie nach einem heißen Bad. Er wirkte irgendwie erregt, als wäre er froh, mich zu treffen. Aber ich ging davon aus, daß er meinte, es sollte eher umgekehrt sein. Ich sollte mich geehrt fühlen. Harry Monsen war unser einziger international bekannter Privatdetektiv. Er leitete ein großes Detektivbüro in Oslo, das größte des Landes. Soweit ich wußte, hatte er acht oder neun Angestellte. Ich hatte keine Ahnung, was ihn hierher über die Berge geführt hatte, aber ich ging davon aus, daß ich es erfahren würde.
»Kommen Sie mit ins Büro«, sagte ich.
Er nahm einen viereckigen Aktenkoffer mit blanken Beschlägen mit: Marke Geschäftsmann.
Ich schloß die Tür zum Büro auf, machte das Licht an und warf einen schnellen Blick durch den Raum. Es war nicht besonders beeindruckend, aber es war nur wenige Tage her, daß ich hier saubergemacht hatte, so daß es recht ordentlich aussah. Auch die Staubschicht auf dem Schreibtisch war nicht sonderlich auffällig. Es sah beinah so aus, als hätte ich von Zeit zu Zeit etwas zu tun.
»Ich habe gerade einen neuen Auftrag bekommen. Ich komme eben von dem Klienten«, sagte ich, um deutlich zu machen, daß ich nicht allzuviel Zeit hatte.
Er sah sich in meinem Büro um mit einem Gesichtsausdruck, als nippe er an einem Glas abgestandener Zitronenlimonade. »Also hier – arbeiten Sie?«
»Die Aussicht ist schön«, sagte ich und wies zum Fenster.
Fløien lag in grauem Dunst, der Rauch aus den Schornsteinen zog schwer über die Dächer, die Menschen draußen hatten sich warm angezogen.
»Doch, ja«, sagte er ohne Begeisterung.
In mir ballte sich eine Faust, irgendwo unten im Bauch. Ich fühlte mich, als würde ich einer Inspektion unterzogen. Mir gefiel das nicht.
Ich wies auf den Kundensessel, und er setzte sich. Ich selbst nahm hinter dem Schreibtisch Platz. Dann sagte ich: »Womit kann ich dir dienen?«
»Duzen wir uns?« sagte er mit fragendem Blick.
Ich nickte.
»Gut«, sagte er. Er hatte den Aktenkoffer auf dem Schoß, und er öffnete ihn mit zweimaligem Klicken. Dann wiederholte er: »Gut.«
Die Faust in meinem Bauch öffnete sich und ballte sich wieder, noch fester.
Er zog ein kleines Faltblatt aus der Tasche und reichte es mir über den Schreibtisch. »Das sind wir«, sagte er.
Ich sah auf das Faltblatt. Es sah aus wie die PR-Broschüre eines modernen Reklamebüros. Das Papier war rostfarben und glänzend, und mit prangenden Lettern stand dort als Überschrift: HARRY MONSEN AG, DETEKTIVBÜRO, DEM IKD ANGESCHLOSSEN. Weiter unten im Text war IKD erklärt als Internationale Kommission der Detektivverbände. Ich las nicht alles, aber ich entnahm alldem, daß Harry Monsen – seiner eigenen Werbung nach – ein Detektivbüro der höchsten internationalen Klasse betrieb, daß er alle Arten von Aufträgen annahm, von »ehelichen Problemen« und »Personenüberprüfungen« bis hin zu etwas, das sich »Industrielle Nachforschungen mit modernsten elektronischen Hilfsmitteln« nannte. Ich fühlte, daß ich beeindruckt
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