Die Frau mit dem roten Herzen
amerikanische Kollegin betreue, mit ihr essen gehe und sie zum Einkaufen und zu Besichtigungen begleite, anstatt meine Arbeit zu tun, was wird man dann erst von mir sagen?«
»Oh, Sie werden genug zu tun haben.«
»Was denn?«
»Wen Liping stammt ursprünglich aus Shanghai. In den frühen siebziger Jahren war sie eine jugendliche Intellektuelle, die aufs Land verschickt wurde. Sie hätte nach Shanghai zurückkehren können. Sie werden also auch hier einiges zu ermitteln haben.«
Das klang wenig überzeugend. Es bedurfte keines Oberinspektors, um Wens mögliche Kontaktpersonen zu überprüfen, allenfalls wenn man eine Amerikanerin damit beeindrucken wollte, überlegte Chen.
Li erhob sich und legte eine Hand auf Chens Schulter. »Das ist ein Auftrag, dem Sie sich nicht entziehen können, Genosse Chen Cao. Er liegt im Interesse der Partei.«
»Im Interesse der Partei!« Chen erhob sich ebenfalls. Unten auf der Fuzhou Lu war der Verkehr fast zum Erliegen gekommen.
Weiteres Argumentieren war zwecklos. »Sie haben wie immer das letzte Wort, Parteisekretär Li.«
»Das liegt wohl eher bei Minister Huang. In all den Jahren hat die Partei Ihnen immer vertraut. Wie lautete gleich das Konfuzius-Zitat, das Sie eingangs zitierten?«
»Ja schon, aber …« Er wußte nicht, wie er fortfahren sollte.
»Wir sehen ein, daß Sie den Fall zu einem kritischen Zeitpunkt übernehmen. Das Ministerium wird Sie daher mit Sondermitteln ausstatten. Ihr Budget ist unbegrenzt. Führen Sie Inspektor Rohn in die besten Restaurants, besuchen Sie Theater, machen Sie Bootsfahrten – was immer Sie für richtig halten. Geben Sie aus, soviel Sie können. Die Amerikaner sollen merken, daß hier nicht alle Leute arme boatpeople sind. Auch das ist internationale Verbindungsarbeit.«
Die meisten würden sich um eine solche Aufgabe reißen. Erstklassige Hotels, Unterhaltung, Bankette. China muß vor westlichen Besuchern sein Gesicht wahren, diese Maxime war Chen beim Training für auswärtige Zusammenarbeit immer wieder eingebleut worden. Doch eine solche Aufgabe hatte auch ihre Schattenseiten. Die Innere Sicherheit würde im Hintergrund über ihn wachen.
»Ich werde mein Bestes tun, Parteisekretär Li, aber ich habe noch eine Bitte.«
»Nur zu.«
»Ich möchte Hauptwachtmeister Yu Guangming als Partner.«
»Hauptwachtmeister Yu ist ein erfahrener Polizist, aber er spricht kein Englisch. Falls Sie Hilfe brauchen sollten, würde ich jemand anderen vorschlagen.«
»Ich möchte Hauptwachtmeister Yu nach Fujian schicken. Ich bin nicht unterrichtet, was die dortige Polizei bislang unternommen hat. Wir müssen herausfinden, weshalb Wen verschwunden ist«, sagte Chen und versuchte, Lis Gesichtsausdruck zu deuten. »Hauptwachtmeister Yu kann mich über die neuesten Entwicklungen dort auf dem laufenden halten.«
»Was werden die Kollegen in Fujian davon halten?«
»Sagten Sie nicht, daß ich die Ermittlungen leite?«
»Aber natürlich. Sie koordinieren die Operation. Es wurden bereits entsprechende Schritte veranlaßt.«
»Dann soll Yu heute nachmittag nach Fujian fliegen.«
»Wenn Sie darauf bestehen«, lenkte Li ein. »Brauchen Sie hier nicht auch Unterstützung? Sie werden Ihre gesamte Zeit Inspektor Rohn widmen müssen.«
»Doch. Außerdem habe ich noch andere Dinge auf dem Schreibtisch liegen. Und dann wäre da die Leiche im Park.«
»Wollen Sie sich diesen Mord im Bund-Park tatsächlich aufbürden? Ich glaube nicht, daß Ihnen dazu Zeit bleibt, Oberinspektor.«
»Zumindest müssen die Ermittlungen anlaufen. Das kann nicht warten.«
»Was halten Sie von Wachtmeister Qian Jun? Er könnte vorübergehend Ihr Assistent sein.«
Chen mochte Qian, einen jungen Polizeischulabgänger mit politischer Spürnase, nicht besonders. Doch konnte er Lis Vorschlag nicht schon wieder zurückweisen. »Gut. Ich werde die meiste Zeit mit Inspektor Rohn unterwegs sein. Wenn sich Hauptwachtmeister Yu aus Fujian meldet, kann Qian die Informationen an mich weiterleiten.«
»Außerdem kann er Ihnen mit dem Papierkram zur Hand gehen«, fügte Li hinzu und fuhr dann grinsend fort: »Ach, und für diesen Auftrag gibt es einen Bekleidungszuschuß. Vergessen Sie nicht, bei der Zahlstelle vorbeizugehen.«
»Ich dachte, so was gibt es bloß bei Auslandseinsätzen?«
»Auch für Besucher, die aus dem Ausland kommen, muß man seinen besten Anzug aus dem Schrank holen. Vergessen Sie nicht, daß Sie unser Aushängeschild sind. Wir werden Ihnen ein Zimmer im Hotel Peace
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