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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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die Wahrheit verschwiegen werden mußte, war jede Entschuldigung recht.
    In der Ferne glitt eine weiße Möwe über das gelbliche Wasser. Ihre Silhouette schien die aufgehende Sonne auf den Schwingen zu tragen.
     

2
     
    »S IE HABEN es weit gebracht, Genosse Oberinspektor Chen.« Parteisekretär Li Guohua vom Shanghaier Polizeipräsidium begrüßte ihn lächelnd und ließ sich dann in seinen dunkelbraunen Lederdrehstuhl zurücksinken, der am Fenster stand. Von seinem geräumigen Büro aus überblickte man die ganze Shanghaier Innenstadt.
    Oberinspektor Chen saß auf der anderen Seite des Mahagonischreibtischs und blies in eine Schale grünen Drachenbrunnentees, ein Genuß, wie er im Büro des einflußreichen Parteisekretärs nur wenigen zuteil wurde.
    Als aufstrebender Kader mit Aussicht auf weitere Beförderungen war Chen seinem Mentor in vielfacher Weise verbunden. Li hatte bei Chens Parteieintritt als Bürge fungiert, hatte ihm die internen Machtverhältnisse entschlüsselt und ihn auf seinen derzeitigen Posten gehievt. Als ein mittlerweile fünfzigjähriger Polizist, der seine Arbeit von der Pieke auf gelernt hat, hatte Li im Präsidium alle Ebenen durchlaufen, bevor er seine jetzige leitende Position übernahm. Dabei hatte er viele politische Bewegungen und Parteikämpfe hinter sich gebracht und offenbar immer auf die Sieger gesetzt. Daß er Chen nun als seinen Nachfolger aufbaute, werteten die Kollegen als weiteren klugen Schachzug, zumal nachdem einige Eingeweihte von dessen Beziehung zu Ling, der Tochter eines Pekinger Politbüromitglieds, erfahren hatten. Doch fairerweise mußte man Li zugestehen, daß er selbst erst nach Chens Beförderung davon gehört hatte.
    »Vielen Dank, Parteisekretär Li. Wie der Weise sagt: ›Ein Mann ist bereit, sein Leben zu opfern für jemanden, der ihn schätzt; eine Frau dagegen macht sich schön für denjenigen, der sie schätzt.‹«
    Nach wie vor galten Konfuzius-Zitate nicht gerade als politisch korrekt, doch Chen vermutete, daß Li durchaus Gefallen daran fand.
    »Die Partei hatte immer eine hohe Meinung von Ihnen«, sagte Li in bestem Kaderton. Seine Mao-Jacke war trotz des warmen Wetters bis zum Kinn geknöpft. »Das ist eine Aufgabe für Sie, Oberinspektor Chen, und für keinen anderen.«
    »Sie haben also schon davon gehört?« Es überraschte Chen nicht, daß jemand seinem Vorgesetzten den Mordfall des heutigen Morgens bereits gemeldet hatte.
    »Sehen Sie sich dieses Foto an.« Li zog einen Abzug aus einem braunen Umschlag auf dem Schreibtisch. »Das ist Inspektor Catherine Rohn, eine Mitarbeiterin des U. S. Marshals Service.«
    Das Bild zeigte eine hübsche junge Frau Ende Zwanzig, deren intelligente blaue Augen in die Sonne blitzten.
    »Ziemlich jung noch.« Chen betrachtete das Foto mit einiger Verwirrung.
    »Inspektor Rohn hat an der Universität Chinesisch gelernt. Sie ist eine Art China-Expertin beim U.S. Marshals Service. Und Sie sind der Gelehrte in unserer Mannschaft.«
    »Moment mal, Parteisekretär Li, von welcher Aufgabe sprechen Sie?«
    Vor dem Bürofenster war in der Ferne die eine oder andere Sirene zu hören.
    »Inspektor Rohn wird Wen Liping in die Vereinigten Staaten begleiten. Und Ihre Aufgabe wird es sein, sie bei dieser Mission zu unterstützen.« Li räusperte sich, bevor er fortfuhr. »Eine überaus wichtige Funktion, Oberinspektor Chen, und wir wissen, daß wir uns auf Sie verlassen können.«
    Chen wurde klar, daß Li von etwas völlig anderem sprach.
    »Wer ist diese Wen Liping? Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Sie von mir wollen, Parteisekretär Li.«
    »Wen Liping ist die Frau von Feng Dexiang.«
    »Und wer ist Feng Dexiang?«
    »Ein Bauer aus Fujian und jetzt wichtiger Zeuge in einem Fall von illegaler Einwanderung in Washington.«
    »Was ist denn so Besonderes an diesem Feng?«
    Li füllte Chens Teeschale mit heißem Wasser auf. »Haben Sie schon einmal von Jia Xizhi gehört?«
    »Jia Xizhi – natürlich, der berüchtigte Triaden-Boß aus Taiwan.«
    »Jia ist in eine Reihe internationaler Kriminalfälle verwickelt. Er ist ein sogenannter Schlangenkopf, betreibt also Menschenschmuggel im großen Stil. In New York konnte er im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten verhaftet werden. Um ihn verurteilen zu können, brauchen die amerikanischen Behörden einen Zeugen, der seine Verbindung zu dem Flüchtlingsschiff Goldene Hoffnung bestätigt.«
    »Ach, ich erinnere mich, vor ein paar Monaten über diesen schrecklichen Vorfall gelesen

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