Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Vorreden
Zur fünfundzwanzigsten Auflage
Das "durch und durch unwissenschaftliche Buch", das nach H. Herkner "Die Frau" ist, erlebt hiermit den in der deutschen Literatur höchst seltenen Fall einer fünfundzwanzigsten Auflage, und ich hoffe, weitere werden folgen. Der außerordentlich günstigen Aufnahme, die es bei dem deutschen Lesepublikum fand, entsprechen die vielen Übersetzungen in die verschiedensten fremden Sprachen, die es seit seinem Erscheinen gefunden hat. Neben dem, daß es zweimal ins Englische übersetzt wurde (London und New York), wurde es ins Französische, Russische, Italienische, Schwedische, Dänische, Polnische, Vlämische, Griechische, Bulgarische, Rumänische, Ungarische und Tschechische übersetzt. Auf diesen Erfolg meines "durch und durch unwissenschaftlichen Buches" kann ich also stolz sein.
Zahlreiche Zuschriften, namentlich von Frauen aus den verschiedensten Gesellschaftskreisen, zeigten mir weiter, wie es insbesondere in der Frauenwelt gewirkt hat und die wärmste Aufnahme fand.
Hierbei muß ich meinen herzlichen Dank denjenigen aussprechen, die mich, sei es durch Einsendung von Material oder durch Berichtigung und Ergänzung angeführter Tatsachen, unterstützten und mich so in die Lage setzten, das Buch einwandfreier zu gestalten.
Der warmen Anhängerschaft auf der einen Seite steht aber eine heftige Gegnerschaft auf der anderen gegenüber. Während die einen das Buch als das nichtsnutzigste und gefährlichste Buch bezeichnen, das in neuerer Zeit erschienen sei (in diesem Sinne sprach sich eine in Berlin erscheinende antisemitische Zeitung aus), erklären andere – darunter zwei evangelische Geistliche – es für eines der sittlichsten und nützlichsten Bücher, die es gebe. Ich bin mit dem einen Urteil so zufrieden wie mit dem anderen. Ein Buch, das über öffentliche Dinge geschrieben ist, soll wie eine Rede, die über öffentliche Angelegenheiten gehalten wird, zur Parteinahme zwingen . Nur dann erreicht es seinen Zweck.
Unter den zahlreichen Entgegnungen und versuchten Widerlegungen, die das vorliegende Buch im Laufe der Jahre hervorgerufen hat sind zwei, die wegen des wissenschaftlichen Charakters ihrer Verfasser eine besondere Beachtung herausfordern. So das Buch von Dr. H. E. Ziegler, außerordentlicher Professor der Zoologie an der Universität Freiburg i. B., das betitelt ist: "Die Naturwissenschaft und die sozialdemokratische Theorie, ihr Verhältnis dargelegt auf Grund der Werke von Darwin und Bebel" , und die diesem folgende Abhandlung von Dr. Alfred Hegar, Professor der Gynäkologie an der Universität Freiburg i. B., die den Titel führt: "Der Geschlechtstrieb" .
Die beiden Bücher machen den Eindruck, als seien sie auf Verabredung ihrer Autoren zur "wissenschaftlichen Vernichtung" meines Buches geschrieben. Dafür spricht, daß beide Autoren an derselben Universität tätig sind, beide ihre Bücher in demselben Verlag erscheinen ließen und beide die Herausgabe damit begründen, daß die ungewöhnlich weite Verbreitung, die mein Buch mit seinen "falschen" und "unwissenschaftlichen Theorien" gefunden habe, sie zu einer Widerlegung desselben anspornte. Für die gegenseitige Abmachung spricht auch ferner die Arbeitsteilung, über die beide Autoren sich (so scheint es) verständigten. Indem Ziegler meine kulturgeschichtlichen und naturwissenschaftlichen Anschauungen zu widerlegen versucht, wirft Hegar sich wesentlich auf die physiologische und psychologische Charakterisierung der Frau, wie ich sie in meinem Buche gebe, um diese als falsch und irrig nachzuweisen. Beide gehen dann, ein jeder von seinem Standpunkt, zu dem Versuch einer Widerlegung meiner ökonomischen und sozialpolitischen Grundauffassungen über, ein Unterfangen, das zeigt, daß sie sich hier auf ein Gebiet begeben, auf dem sie beide nicht zu Hause sind und auf dem sie deshalb noch weniger Lorbeeren pflücken als auf dem Gebiet des Fachmanns, von dem aus ich am ehesten eine sachgemäße Widerlegung hätte erwarten können.
Beide Bücher haben auch das Gemeinsame, daß sie zum Teil Gebiete behandeln, die den von mir behandelten fernliegen und nichts mit denselben zu tun haben, oder, wie namentlich Hegar, sich in Erörterungen ergehen, denen zu widersprechen ich keinen Grund habe. Beide Schriften sind ferner Tendenzschriften , die um jeden Preis beweisen sollen, daß weder die Naturwissenschaft noch die Anthropologie irgend welches Material für die
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