Herrin der Schädel
Nein, es ging nicht einfach nur um Knochen, sondern um die Schädel. Da waren irgendwelche Sammler unterwegs, die Gräber aufbrachen und Schädel hervorholten. Ein perverses Hobby, über das ich nicht mal lächeln konnte. Für mich war die Schändung der Gräber kein Kavaliersdelikt. Es war ein Vorgang, der durch die Polizei verfolgt werden musste.
Keine Sache für uns. Zumindest nicht im Prinzip. Hätte hinter diesen Taten nicht eine Methode gesteckt. Denn die Schädel waren nicht nur auf einem Friedhof gestohlen worden. Zahlreiche andere hatte man auch geschändet, und bisher war noch nicht herausgekommen, wer genau dahinter steckte.
Es waren keine Grufties, die sich einen Spaß daraus machten, die Gebeine aus dem Boden zu holen, um damit ihre Party zu schmücken, nein, diese Diebstähle hatten Methode, was auch daran zu erkennen war, dass sie so kontinuierlich durchgeführt wurden, und so waren die Kollegen zu dem Schluss gelangt, dass dahinter ein größerer Plan steckte.
Was konnte man mit alten Schädeln anfangen?
Der menschlichen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, aber viel Geld brachten sie nicht ein, auch in der Masse nicht. Man konnte sie verkaufen, aber auch hier regelte das Angebot die Nachfrage, und viele Schädel waren nicht zum Verkauf angeboten worden. Da wäre das Internet das ideale Medium gewesen.
Warum dann die Diebstähle?
Das sollten wir herausfinden. Man hatte unseren Chef, Sir James Powell, überredet, und so waren Suko und ich losgeschickt worden, um den einen oder anderen Dieb zu stellen.
Wir beide bewegten uns nicht am gleichen Ort. Wir marschierten getrennt und wollten jeder einen Erfolg erringen, auch wenn wir uns dafür Nächte um die Ohren schlagen mussten.
Es war bereits die vierte Nacht, in der ich auf der Lauer lag. Mehr als fünf sollten es nicht werden, das war mit Sir James ausgemacht worden. Zudem ist die Nachtschicht nicht jedermanns Sache, das merkte auch ich, denn sie steckte mir schon in den Knochen.
Am Tag hatte ich ausschlafen sollen, was aber nie so richtig der Fall gewesen war. Ich war immer wieder erwacht, und es gab für mich auch keine Gewöhnung. Und so fiel es mir immer schwerer, die Augen offen zu halten, als ich mich wieder auf die Lauer legte.
Ich ging nach einem Plan vor. Da der Friedhof in einem ländlichen Gebiet lag, gab es in der Nähe auch gute Verstecke, die auch meinem Rover entgegenkamen. Ich konnte den Wagen so hinstellen, dass er so leicht nicht gesehen wurde, ich aber den Eingang des Friedhofs im Auge behalten konnte.
Das war natürlich nicht das Optimum aller Dinge. Wer in der Nacht über den Friedhof schlich und irgendwelche Gräber aufbuddelte, der nahm nicht eben den normalen Eingang, sondern kletterte über irgendwelche Mauern oder Zäune hinweg, aber ich verbrachte die Zeit bis Mitternacht immer im Rover. Erst dann machte ich mich auf die Pirsch.
Eigentlich hätte ich von einem Friedhofsgärtner Unterstützung finden sollen, aber dieser Mann hatte gekniffen. Einfach nur aus Angst. Nicht vor den Toten, sondern vor den Lebenden, den Grabräubern, die bestimmt keine Chorknaben waren. Wer so extrem vorging, der verfolgte einen Plan mit allen Konsequenzen.
Ich saß im Wagen, der durch eine Buschgruppe gut geschützt wurde, und war müde geworden. Man ist keine Maschine, man ist kein Supermann, und von irgendwelchen Pillen, die mich wach hielten, hatte ich noch nie etwas gehalten.
Glenda’s guter Kaffee begleitete mich in einer Warmhaltekanne, aber das Getränk reichte auch nicht aus, um die Müdigkeit zurückzudrücken. Also schlief ich ein – und zuckte plötzlich zusammen, als hätte bei mir ein innerer Wecker angeschlagen.
Sofort war ich wach.
»Mist!« Ich schimpfte über mich selbst, fand mich allerdings sehr schnell wieder zurecht und wusste nach dem ersten Blick auf die Uhr, wo ich mich befand.
Es hatte sich nichts verändert. Innen umgab mich die Dunkelheit und außen ebenfalls. Zudem hatte sich auch die Stille nicht verändert. Mein Blick fiel auf die Digitalanzeige der Uhr am Armaturenbrett, und ich erkannte, dass Mitternacht bereits vorbei war. Der neue Tag hatte begonnen, und ich hockte noch immer im Rover, anstatt den Friedhof betreten zu haben. Es ärgerte mich, dass ich verschlafen hatte, aber ich war nicht angegriffen worden und ging mal davon aus, dass ich auch weiterhin nichts versäumt hatte.
Meine Augen musste ich trotzdem reiben, bevor ich den Wagen verließ und mich nach draußen schlängelte in eine Luft,
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