Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
zum Zeichen der Verbindung gemeinsam einen aus Mehl, Salz und Wasser gebackenen Kuchen. Man sieht, es handelt sich hier um eine Zeremonie, die große Ähnlichkeit mit dem Brechen der Hostie bei dem christlichen Abendmahl hat. Eine zweite Form der Eheschließung war die Besitzergreifung, die als vollzogen galt, sobald eine Frau, unter Zustimmung ihres Vaters oder Vormundes, ein Jahr mit ihrem Auserwählten unter einem Dache zusammen lebte. Eine dritte Form war eine Art gegenseitigen Kaufes, indem beide sich gegenseitig Geldmünzen und das Versprechen gaben, Eheleute sein zu wollen. Zu Ciceros Zeit war bereits für beide Teile allgemein die freie Scheidung eingeführt und wurde sogar bestritten, daß eine Ankündigung der Scheidung nötig sei. Die lex Julia de adulteriis schrieb aber dann vor, daß die Scheidung feierlich angekündigt werden müsse, was verordnet wurde, weil häufig Frauen, die Ehebruch begangen hatten und zur Verantwortung gezogen werden sollten, sich darauf beriefen, die Ehe geschieden zu haben. Justinian (der Christ) verbot die Scheidung, es sei denn, daß beide Teile ins Kloster gehen wollten. Sein Nachfolger Justinus II. sah sich aber genötigt, sie wieder zuzulassen.
Mit der wachsenden Macht und dem steigenden Reichtum Roms traten an Stelle der ehemaligen Sittenstrenge Laster und Ausschweifungen der schlimmsten Art. Rom wurde die Zentrale, von der aus sich Unzucht, Schwelgerei und sinnliches Raffinement über die ganze damalige Kulturwelt verbreiteten. Die Ausschweifungen nahmen namentlich in der Kaiserzeit, vielfach begünstigt durch die Kaiser, Formen an, die nur der Wahnsinn eingeben konnte. Männer und Weiber wetteiferten in der Lasterhaftigkeit. Die Zahl der öffentlichen Frauenhäuser wurde immer größer, und daneben fand die griechische Liebe (die Knabenliebe) in der Männerwelt immer mehr Eingang. Zeitweilig war in Rom die Zahl der jungen Männer, die sich prostituierten, größer als die Zahl der prostituierten Frauen .
Die Hetären erschienen, von ihren Verehrern umgeben, pomphaft auf den Straßen, der Promenade, im Zirkus und Theater, oft auf Ruhebetten von Negern getragen, wo sie, einen Spiegel in der Hand, von Schmuck und Edelsteinen funkelnd, stark entblößt lagen, fächerwedelnde Sklaven neben sich, umgeben von einem Schwarm von Knaben, Eunuchen, Flötenspielern; groteske Zwerge schlossen den Aufzug.
Diese Ausschweifungen nahmen im römischen Reich einen Umfang an, daß sie eine Gefahr für den Bestand des Reiches wurden. Dem Beispiel der Männer folgten die Frauen; es gab Frauen, so berichtet Seneca , welche die Jahre nicht, wie üblich, nach Konsuln, sondern nach der Zahl ihrer Gatten zählten. Ehebruch war allgemein, und damit die Frauen den schweren Strafen, die auf denselben gesetzt waren, entgingen, ließen sie sich, darunter die vornehmsten Damen Roms, als Prostituierte in die Register der Ädilen eintragen.
Neben diesen Ausschweifungen steigerten Bürgerkriege und Latifundiensystem die Ehe- und Kinderlosigkeit in solchem Grade, daß sich die Zahl der römischen Bürger und Patrizier bedeutend verminderte. Daher erließ im Jahre 16 vor Christo Augustus das sogenannte Julische Gesetz , das Belohnung für Kinderzeugung und Strafen auf Ehelosigkeit der römischen Bürger und Patrizier setzte. Wer Kinder besaß, sollte dem Kinder- oder Ehelosen im Range vorgehen. Ehelose durften keine Erbschaft, außer von ihren nächsten Anverwandten annehmen. Kinderlose konnten nur die Hälfte erben. Das übrige fiel dem Staate zu. Frauen, die eines Ehebruchs bezichtigt werden konnten, mußten einen Teil ihrer Mitgift dem geprellten Ehemann abtreten. Daraufhin gab es Männer, die heirateten, indem sie auf den Ehebruch ihrer Frauen spekulierten. Das veranlaßte Plutarch zu der Bemerkung: Die Römer heiraten nicht, um Erben zu bekommen, sondern um zu erben.
Später wurde das Julische Gesetz noch verschärft. Tiberius gebot, daß keine Frau für Geld sich preisgeben dürfe, deren Großvater, Vater oder Ehemann römischer Ritter gewesen war oder sei. Ehefrauen, die sich in die Register der Prostituierten eintragen ließen, sollten als Ehebrecherinnen außerhalb Italiens verbannt werden. Für die Männer gab's dergleichen Strafen natürlich nicht. Wie ferner Juvenal berichtet, war auch Gattenmord durch Gift in dem Rom seiner Zeit (in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung) eine häufige Erscheinung.
Drittes Kapitel - Das
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