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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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normale Geburt zu verhindern, daher viele Fälle von Abortus und verhältnismäßig wenig Kindesmorde. Auf dem Lande liegen die Verhältnisse umgekehrt. In Deutschland wurden wegen Kindesmordes verurteilt in den Jahren 1882 bis 1886 884, 1897 bis 1901 887, 1902 bis 1906 745 Personen .
     
    Das ist das Bild, das die heutige Gesellschaft in bezug auf ihre intimsten Beziehungen bietet. Es weicht stark ab von dem Gemälde, das poetische Phantasten von ihr entwerfen, nur hat es den Vorzug – wahr zu sein. Aber es müssen noch einige charakterisierende Pinselstriche hinzugefügt werden.
     

3. Erziehung zur Ehe
 
    Daß gegenwärtig das weibliche Geschlecht geistig im Durchschnitt unter dem männlichen steht, darüber dürfte keine Meinungsverschiedenheit bestehen. Balzac, der durchaus kein Frauenfreund war, behauptet zwar: "Eine Frau, die eine männliche Bildung erhalten, besitzt in der Tat die glänzendsten und fruchtbarsten Eigenschaften zur Begründung ihres eigenen Glückes und des ihres Gatten", und Goethe, der Frauen und Männer seiner Zeit gut kannte, äußert bissig in Wilhelm Meisters Lehrjahren (Bekenntnisse einer schönen Seele): "Man hat die gelehrten Weiber lächerlich gemacht, und man wollte auch die unterrichteten nicht leiden, wahrscheinlich, weil man für unhöflich hielt, so viel unwissende Männer zu beschämen", aber dadurch wird an der Tatsache, daß im allgemeinen die Frauen geistig hinter den Männern zurückstehen, nichts geändert. Dieser Unterschied muß auch vorhanden sein, weil die Frau nur ist, wozu sie der Mann als ihr Beherrscher gemacht hat . Die Bildung der Frau ist noch mehr als jene des Proletariers von jeher vernachlässigt worden, und was gegenwärtig Besseres geleistet wird, ist unzulänglich. Wir leben in einer Zeit, in der das Bedürfnis nach Ideenaustausch in allen Kreisen wächst, und da stellt sich die vernachlässigte geistige Ausbildung der Frau als ein großer Fehler heraus, der sich an dem Manne rächt.
     
    Bei: dem Manne richtet sich die Ausbildung, das behauptet man wenigstens, obgleich oft der Zweck durch die angewandten Mittel nicht erreicht wird, vielfach auch nicht erreicht werden soll, auf die Entwicklung des Verstandes, die Schärfung des Denkvermögens, die Erweiterung des realen Wissens und die Festigung der Willenskraft, kurz, auf die Ausbildung der Verstandesfunktionen. Hingegen erstreckt sich bei der Frau die Ausbildung der höheren Stände hauptsächlich auf die Vertiefung des Gemüts , auf formale und schöngeistige Bildung, durch die nur ihre Nervenreizbarkeit und Phantasie erhöht wird, wie Musik, Belletristik, Kunst, Poesie. Das ist das Verkehrteste, was geschehen kann. Hier zeigt sich, daß die Mächte, die über das Bildungsmaß der Frau zu bestimmen haben, sich nur leiten lassen von ihren Vorurteilen über das Wesen des weiblichen Charakters und die beschränkte Lebensstellung der Frau. Das Gemütsleben und die Phantasie der Frau darf nicht noch mehr entwickelt werden, was ihre Anlage zur Nervosität nur steigert, sondern es soll, so gut wie bei dem Manne, auch bei ihr die Verstandestätigkeit entwickelt und sie mit den Erscheinungen des praktischen Lebens vertraut gemacht werden. Für beide Geschlechter wäre es von größtem Vorteil, besäße die Frau an Stelle überschüssigen Gemüts, das oft recht ungemütlich wird, eine gute Portion geschärften Verstandes und exakter Denkfähigkeit, an Stelle nervöser Überreiztheit und verschüchterten Wesens Charakterfestigkeit und physischen Mut, statt des schöngeistigen Wissens, soweit sie solches überhaupt besitzt, Kenntnis von Welt und Menschen und natürlichen Kräften.
     
    Im allgemeinen ist bisher das Gemüts- und Seelenleben der Frau ins Maßlose genährt, hingegen ihre Verstandesentwicklung gehemmt, schwer vernachlässigt und unterdrückt worden. Sie leidet infolgedessen buchstäblich an Hypertrophie des Gemüts- und Geisteslebens und ist darum meist jedem Aberglauben und Wunderschwindel zugänglich, ein überdankbarer Boden für religiöse und sonstige Scharlatanerien, ein gefügiges Werkzeug für jede Reaktion. Die bornierte Männerwelt beklagt das häufig, weil sie darunter leidet, aber sie ändert es nicht, weil sie noch selbst in der großen Mehrheit bis über die Ohren in Vorurteilen steckt.
     
    Dadurch, daß die Frauen fast allgemein wie geschildert sind, sehen sie die Welt anders an als die Männer, und damit ist abermals eine starke Quelle von Differenzen zwischen beiden

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