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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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angekündigt«, murmelte er, als Robert gegenüber von ihm
Platz nahm. Er sah auf. »Sie strahlen ja heute, junger Freund, wie ein Reaktor
nach dem Supergau.«
    Robert nahm das als Kompliment. Und was für ein Gau, dachte
er belustigt.
    »Wenn sich der Sturm in den Tälern von ›Noctis Labyrintus‹ festsetzt,
kommen wir womöglich nicht rechtzeitig zum Startfenster von hier weg.«
    »Was können Sie mir hier empfehlen?«, wollte Robert wissen,
der die Karte nur überflogen hatte.
    »Der Mars-Kaffee ist ganz ordentlich. Und der Name deutet
auch schon an, dass er mit dem uns bekannten Kaffee von der Erde so gut wie
nichts gemeinsam hat.«
    »Wann geht denn Ihr Flug zurück?«
    »Angeblich, sobald das Schiff seine Ladung komplett gelöscht
hat. Das soll in ungefähr acht bis zehn Tagen der Fall sein.«
    »Ich wusste nicht, dass Sie so eine bekannte Tochter haben.«
Eine Spur von Ehrfurcht schwang in seiner Stimme mit.
    »Wir können uns nicht aussuchen – das heißt heute schon,
damals war es noch nicht möglich –, wie die Interessen unserer Kinder einmal aussehen
werden. Mit fünf ist Karen einmal zum Nachbarn gelaufen, damit er ihr zeige,
wie man fliegt. Der verschrobene Kauz hatte Vögel, aber auch anderes Getier ausgestopft
und präpariert, und meine Kleine dachte, er verstünde etwas vom Fliegen und könne
es ihr beibringen. Mit zwölf begann sie, die Nasa-Archive zu durchforsten –
zumindest den Teil, der öffentlich zugänglich war. Mit fünfzehn wusste sie, was
sie machen wollte. Neben ihrem Interesse für schicke Stiefel und andere Mädchen
war sie fasziniert vom Reisen, von Abenteuern und Entdeckungen – und natürlich
vom Fliegen.« Die Augen des Alten strahlten aus seinem zerknitterten Gesicht.
    »Ihre Tochter war also zu dem Zeitpunkt des ersten
Marsspazierganges nicht krank?« Robert hatte ein Notepad und einen Laserstift gezückt.
    »Die Geschichte habe ich Ihnen, falls mich meine ergrauten
grauen Zellen nicht täuschen, doch schon erzählt.«
    »Ja! Doch!«
    »Es war ein paar Tage vor der Landung, dass einige
Anschuldigungen gegen sie auftauchten, denen Mission Control damals einen hohen
Stellenwert und einen noch höheren Wahrheitsgehalt zuschrieb. Ellen Parodi, die
damals die Gesamtleitung innehatte, tat dann das einzige – und ich verstehe
diese Entscheidung von ihrem Standpunkt sehr gut – was sie mit etwas Verantwortungsgefühl
machen konnte: Sie schob Jacqueline vor, die eine unberührt jungfräuliche Vergangenheit
aufzuweisen hatte. Und … der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.«
    Robert kratzte sich am Kopf. »Warum eigentlich ausgerechnet Jacqueline?
Warum nicht jemand von den anderen Besatzungsmitgliedern?«
    »Diese Frage, mein junger Freund, hat mich damals, nach allem
was geschehen war, nicht mehr wirklich interessiert. Später erst begann mir ein
Licht aufzugehen.« Er sah Robert an. »Was kritzeln Sie denn da in ihr Pad?
Zeigen Sie mal her!«
    Ohne zu zögern hielt ihm Robert seine Notizen unter die
Nase. »McDonnel ging ein Licht auf«, stand da ohne weiteren Kontext zu lesen.
    John gab es ihm zurück und setzte einen mitleidigen Blick
auf. »Keine Angst, das wird schon noch.«
    »Inwiefern ging Ihnen ein Licht auf?«
    »Ellen Parodi war bei ihrer Entscheidung definitiv nicht
wohl in ihrer Haut, aus diesem Grund wählte sie Jacqueline aus.«
    »Ich fürchte, ich verstehe noch immer nicht ganz«, sagte
Robert, und hätte gleich darauf seine Worte wieder hinuntergeschluckt, falls dies
möglich gewesen wäre.
    »Eine Antwort, die ich Ihnen gerne abnehme. Es ist aber auch
nicht leicht zu verstehen. Ellen Parodi war eine witzige und intelligente Frau,
schreckte nie vor einem Scherz zurück, wenn sie einen anbringen konnte; auch
wenn er vielleicht nicht immer angebracht war. Das war auch der Grund, warum
sie die elf Zentimeter größere Jacqueline als erste Frau auf dem Mars vorschob
– verstehen Sie denn nicht? Es war ein Spaß, ein globaler Scherz sozusagen, sie
wollte sehen, ob sie die gesamte Bevölkerung des Planeten – die gesamte
Menschheit – täuschen konnte, ob sie sie an der Nase herumführen konnte, ohne
dass es jemand bemerkte. – Vielleicht wollte sie auch Karen diese letzte Chance
lassen.«
    Robert kratzte sich die Nase.
    »Hätte es also unter den vier Milliarden Zusehern nur einen
einzigen mit etwas Grips, Gespür oder Bauchgefühl gegeben, hätte diese Person
die gesamte Charade auffliegen lassen können.«
    »Aber«, begann Robert und sah John von

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