Die Frauen des Journalisten (German Edition)
zu seinem Haus hinüber. Wie friedlich alles aussah in dem trüben Licht und durch den Schnee wirkte das Haus hinter dem kleinen Vorgarten fast gemütlich. Wortmann musste lächeln.
Schon seit fast zwölf Jahren lebte Michael Wortmann nun in Berlin. Vor etwa drei Jahren hatte er sich das kleine Haus in Köpenick nahe am Müggelsees gekauft. Das Haus stand auf einem kleinen überschaubaren Grundstück, fast verdeckt von einigen Sträuchern, einer großen Kiefer und zwei Fichten. Es war jetzt, wo alles schneebedeckt war, von der Straße aus kaum zu sehen. Das Grundstück lag am Rand einer kleinen Siedlung. Die Siedlung gab es schon seit vielen Jahren, jetzt im Winter konnte man das vor allem an den Bäumen und Sträuchern erkennen. Auf allen Grundstücken hatten sie eine beachtliche Größe erreicht. Hier lebte man ungestört, wenn man es wollte. Wortmann liebte das Haus.
Er war jetzt fast 42. Seit seiner Scheidung vor zwölf Jahren lebte er immer noch allein. Seine Ehe war damals für ihn zunehmend einengender geworden, das wollte er nicht noch einmal durchmachen. Möglichkeiten sich wieder an eine Frau zu binden hatte er inzwischen genug gehabt. Aber seine Unabhängigkeit, seine Freiheit wollte er sich nie wieder nehmen lassen. Eigentlich war Wortmann der Typ Mann, der Frauen anzog. Er war groß, schlank, hatte dunkelblondes, ein wenig gewelltes Haar. Seine lässige Art, die fast schon elegant wirkte, erweckte die Aufmerksamkeit bei anderen. Es war aber auch der Blick seiner blaugrauen Augen, der immer direkt war und dem man kaum ausweichen konnte. Besonders Frauen gegenüber umspielte seinen Mund oft ein schmales, spöttisches Lächeln.
Gelegentlich fand er in den Taschen seiner Jacken irgendeinen Zettel mit der Telefonnummer und dem Namen einer Frau. Auf schnelle Affären war er nicht aus, nutzte aber manchmal diese Angebote. Mehr wollte, mehr brauchte er nicht. Wortmann war ein Arbeitstier, als freier Journalist blieb ihm für mehr als eine gelegentliche Verabredung sowieso kaum Zeit.
***
Vor nicht ganz zwei Jahren hatte Wortmann sich wieder mal eine Karte für ein Jazzkonzert im Köpenicker Ratskeller besorgt. Er liebte Jazz schon seit seiner Schulzeit an der erweiterten Oberschule. Von seinem ersten in den Schulferien selbst erarbeiteten Geld hatte er sich damals einen Plattenspieler und seine erste Jazzschallplatte gekauft. Die Band, die im Ratskeller auftrat, hatte einen bekannten Schauspieler als Sänger dabei, den man nur in Berlin hören konnte. Vor vielen Jahren hatte es noch Schallplatten von ihm gegeben. Aus dessen Anfangsjahren besaß er auch noch eine davon.
Nun saß er also in unmittelbarer Nähe der kleinen Bühne an einem Vierertisch. Drei Stühle warteten noch auf weitere Zuhörer, mit ihnen Wortmann. Meist richtete er es so ein, dass er zuerst am Tisch war bei ähnlichen Anlässen. Er liebte es die anderen Gäste kommen zu sehen, weil er sich so sein Bild von ihnen machte. Fast immer lag er richtig mit seiner Vorabeinschätzung.
Nachdem er sich eben ein Bier bestellt hatte, trafen die drei anderen Gäste ein. Erfreut erhob er sich, als ein junger Mann mit zwei ebenso jungen Frauen an den Tisch trat. Man begrüßte sich freundlich. Wortmann, sehr geschickt im Umgang mit fremden Menschen, verwickelte die drei schon bald in ein lockeres Gespräch. Natürlich drehte es sich um Jazz und den bekannten Schauspieler. Sehr bald hatte er herausgefunden, in welchem Verhältnis die jungen Leute zueinander standen. Innerlich war er zufrieden, als er bemerkte, dass die hübschere der beiden Frauen, eine schlanke Blondine, nicht zu dem jungen Mann gehörte. Sie war eine Freundin der anderen.
„Sie sind also keine Berlinerin?“, fragte er etwas später.
„Nein, ich bin für ein paar Tage zu Besuch bei meiner Freundin. Ich wohne in Rangsdorf. Das ist natürlich keine große Entfernung, aber für mich nachts doch umständlich. Sehr gut kenne ich mich noch nicht aus in Berlin. Vor allem mit dem Auto habe ich da Probleme.“
Einen Augenblick weiter fügte sie noch hinzu,
„Wir haben uns riesig gefreut, dass wir für das Konzert ganz unerwartet noch Karten bekommen haben.“
So verlief der Abend in einer angenehmen Atmosphäre. Die Unterhaltung blieb oberflächlich, man nannte die Namen und redete wenig darüber, womit man sonst so beschäftigt war. Wortmann verließ die drei wenig später, nachdem das Konzert beendet war. Er hatte für den nächsten Tag einen vollen
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