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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Der Fall ist völlig klar. Sei doch ein bißchen selbständiger.«
    Franziska ließ sich nicht beirren.
    »Und hier mußt du unterschreiben, damit das weg kann. Es betrifft die Zahnversicherung für die Kinder.«
    Die gebärdeten sich auch nicht gerade konzentrationsfördernd.
    »Mami, was heißt Doppelwaschbecken auf lateinisch?«
    »Da mußt du Pappi fragen. Er hat Abitur.«
    »Pappi, was heißt Doppelwaschbecken auf lateinisch?«
    »Ich muß jetzt lesen, Scheißkind.«
    »Pappi, was heißt Scheißkind auf lateinisch?«
    Und auf einmal war es passiert: reiner Waldhonig auf reiner Krawattenseide. Honig duldet keine Ablenkung. Durch den Krawattenwechsel wurde der Verzehr des tropfenden Brotes verzögert. Kauend verabschiedete sich Robert. Für den Liftknopf genügte der kleine Finger der linken Hand, die andern hielten das Honigbrot, die rechte Hand die schwere Aktentasche.
    Wo sind die Schlüssel? Alles klebt, die Aktentasche, die Hosentasche, die Jackentasche, die Innentasche, die Hintertasche, der Türgriff, das Lenkrad, der Schalthebel. Die Uhr empfiehlt Katzenwäsche für die fünf Finger und zügigen Start in den Stau auf dem Altstadtring.
    Ruhe. Keinen Verschleiß beim Transport. Locker die Arme. Alles wird warm und schwer. Wenn man schon im Auto autogenes Training machen muß, ist das ein Zeichen, die Weiche zu stellen: Morgens Zeit haben — der ganze Tag sieht anders aus.
    »Ich möchte es einmal ausprobieren«, sagte er zu Franziska, spät abends, und holte sich den Wecker von ihrer Seite auf die seine herüber. Franziska verwaltete in der Familie die Zeit.
    »Das wird ungewohnt sein für uns.«
    »Ich möchte es wie gesagt nur einmal probieren.« Unter der Decke hat sie herübergetastet, und Hand in Hand, mit abgespreizten Armen und Beinen, wie Lebkuchenmännchen platt nebeneinander liegend, haben sie sich entspannt. Zuerst die Arme schwer gemacht, dann die Beine, alles mit Konzentration beheizt und miteinander geatmet, ruhig und tief. Dann hat sie sich zum Einschlafen an seine Schulter gerollt:
    »Haben wir’s nicht schön?«
    Den Wecker zu ungewohnter Zeit und von ungewohnter Seite empfindet Robert als physischen Schmerz, die ganze Idee als Kateridee. Grämlich schlurft er hinaus, schaltet das Flurlicht ein und das im Bad. Ist er hier in einem Hotel? Wie laut das Wasser läuft. So laut, daß er aus Rücksicht ins Waschbecken pinkelt, freihändig, während er sich kämmt. Mit dem Zähneputzen weckt er den restlichen Organismus, hält den Kopf unter die kalte Brause, bis Frische einzieht. Niemand stößt ihn beim Rasieren, ungehindert kann er sich bewegen, sich anziehen vor dem Wandschrank im Flur, ohne im Weg zu stehen. Mit Bedacht wählt er eine helle Krawatte. Die Ruhe und die Bewegungsfreiheit geben der Wohnung etwas Leichtsinniges, Junggesellenhaftes. Keine Haushaltsgeräusche, kein Wasser, das kocht, kein Honig, der tropft. Da wird er umarmt, bettwarm.
    »Wollte dir wenigstens auf Wiedersehn sagen.« Franziska schnurrt wie eine verschlafene Geliebte, in der es noch nachschwingt von heute nacht — dreiundzwanziguhrelf bis dreiundzwanziguhrfünfzehn.
    Übers Gaspedal tritt er hinaus ins freundliche Leben. Es ist Mai. Um diese Stunde gleicht die Fahrt in die Innenstadt einem Morgenritt über Wiesen und Felder. Weite braucht das Auge, stellt er fest, Weite. Wenigstens einmal am Tag. Nur wenige Wagen stehen am Straßenrand, Robert parkt à la carte unter dem Fenster seines Büros. Die Stadt ist Stadt, nicht Verkehrsanlage, and frisch die Luft. In der Nähe zu sein und noch nicht gefordert zu werden, schon das verschafft Ruhe. Robert braucht gute Nerven für den schwierigen Fall, den er durchstehen muß, gegen alle Argumente der Volljuristen. Mit festem Schritt überquert er die Straße. So eine Sache zieht man nicht allein mit Fachwissen und mit Ellenbogen durch, da spielen noch andere Dinge mit, Instinkt, Menschenkenntnis, Ausstrahlung, Taktik. Vor ihm biegt eine Frau in die Seitenstraße ein, wo das Café sein soll.
    Wenn man innerlich reif und bereit ist, in der Mitte seiner Möglichkeiten steht, dann kommt die Entsprechung von außen — hat Robert in einer esoterischen Zeitschrift gelesen. Aber man darf nicht darauf warten, muß unspekulativ sein, absichtslos. Und das in einer hochneurotischen Leistungsgesellschaft. Robert muß sich sammeln, einschwingen. Dafür ist er früher aufgestanden. Gewisse Anzeichen lassen ihn hoffen, diesmal zum Zug zu kommen. Sein Intimfeind in der Firma, der alte

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