Die Frühstücksfreundin
Und wenn er schließlich darauf verfiel, das Figürliche anhand von Franziska zu detaillieren, lag das nur an Karls hartnäckiger Fragerei. Dabei war der Vergleich nicht schlecht gewählt. Mit Franziska hatte sie die Proportionen gemeinsam, wirkte allerdings größer, dünner. Karl hielt sich am Rand des Beckens fest.
»Das muß ja eine bildschöne Person sein. Franziska, was sagst du dazu?«
Franziska lächelte mild.
»Nichts. Da gibt’s doch nichts zu sagen.«
Ihr leichter Ton paßte. Karl nahm nichts ernst. Alles veralberte er, um dann unvermittelt verfängliche Fragen zu stellen.
»Wie genau du sie beschreiben kannst, wo du sie erst seit zwei Wochen kennst und nur mit ihr frühstückst. Oder macht ihr auch Spaziergänge?«
»Apropos Spaziergänge!«Karin sah Karl an. »Du bist in der Stadt gesehen worden, mit einem Mädchen. Letzten Dienstag.«
Karl grinste.
»Dienstag? War ich da überhaupt hier? Erzähl mal.«
»Du mußt hiergewesen sein. Sonst hätte man dich nicht Arm in Arm sehen können.«
Robert, der peinliche Situationen haßt, versuchte abzulenken.
»Vielleicht war es eine Verwechslung.«
Doch Karl lachte.
»Ich stütze meine Mandantinnen grundsätzlich, wenn wir zu einem Termin gehen.«
»Zu einem Termin? Nachmittags, mitten in der Stadt?«
»Aber ja doch! Zu einem Versöhnungstermin mit Kaffee und Kuchen.«
Karl schwamm zu Karin.
»Hab ich die Dame etwa auch geküßt? Nein, im Ernst: Dienstag war ich in Genf, und morgen muß ich nach Zürich.«
Karin blieb ernst.
»Neuerdings scheinen sich nur Schweizer scheiden zu lassen.«
»Karin. Bitte nicht auf diesem Niveau.« Es klang fast zärtlich. »Schau, Franziska stört es auch nicht, wenn Robert Spaziergänge macht mit seiner bildschönen Frühstücksfreundin.«
Die Bezeichnung amüsierte beide. Robert ahnte, daß er sie noch öfter zu hören bekommen würde. Damit war die Stimmung wieder im Lot. Doch Karl wechselte nicht etwa das Thema, sondern segelte auf der Berufsroutine weiter.
»Was würdest du tun, wenn Robert mit dieser bildschönen Frühstücksfreundin was anfinge?«
Franziska nutzte die Gelegenheit, um Karin ihren Standpunkt zu dem klarzumachen, was sie ihr direkt nicht sagen konnte.
»Man trägt ja den Ehering nicht durch die Nase mit einer Schnur dran, die der Partner festhält. Mir kann es morgen auch passieren, daß ich mich verliebe. Und dir, Karin, genauso. Wenn er sich verliebt, würde ich mir jedenfalls nicht gleich Vorwürfe machen, daß ich ihn falsch behandelt habe. Das halte ich für ebenso töricht wie stummes Leiden mit Haltung, bis der Wüstling, der ach so männliche, schön um Verzeihung bittet und seinem Frauchen so wenigstens die Chance läßt, Mutti zu spielen, die für alles Verständnis hat. Aber was fragst du mich? Du bist der Fachmann.«
Es klang nicht unvernünftig, was Franziska da sagte. Die Kinder wurden wieder laut. Robert hörte nicht hin. Seine Gedanken blieben, wo sie waren. Zwei Tage hatte ihn die morgendliche Tischrunde verärgert. Konnten die Kerle die Frau nicht eine Minute in Ruhe frühstücken lassen? Pausenlos redeten sie auf sie ein, und immer erwarteten sie charmante Antworten. Aber sie konnte das. Gleichzeitig sprechen, essen, Zeitung lesen, Kaffee trinken und eine Zigarette rauchen. Nein, sie rauchte nicht. Oder doch?
Kürzlich hatte er sich verspätet. Da fragte sie ihn, in der letzten Sekunde, bevor Tiedemann an den Tisch kam, ob er mit ihr spazierengehen wolle. Er reagierte nicht sofort, zu überraschend kam die Frage, und dann war es zu spät.
Gelächter unterbrach seine Gedanken und Jennifers Pappi-Rufe. Sie machte einen Kopfstand unter der Dusche. Um ungestört zu bleiben, setzte Robert ein väterliches Schmunzeln auf.
Am Freitag war er bereit gewesen, sofort mitzukommen. Aber sie wiederholte ihre Frage nicht. Eine kindische Erwartung nach dem Vortag. Diese Art von Frau war Robert fremd. Das war wohl auch der Grund, warum sie ihn beschäftigte. Eitelkeit, alte, überständige Eitelkeit. Wie sehr einem die nichtbewältigten Chancen der Vergangenheit nachhängen können!
Karl wurde am Telefon verlangt.
»Komm, Robert. Wir holen uns was zu trinken.«
Sie zogen ihre Bademäntel über und verließen die tropische Badehalle. Während Karl das nächste der zahlreichen Telefone im Haus abnahm, ging Robert ins Wohnzimmer, öffnete die Flügel der Bar im Wellenschrank und füllte schwerste Gläser mit Eiswürfeln. Draußen klatschten Karls Schlappen auf dem Marmor der Diele,
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