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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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sich Eure Majestät so in meinem Schmerze täuscht?«
    »Und in meiner tiefen Ehrfurcht?« fügte Anne von Joyeuse bei und verbeugte sich auf den Arm des königlichen Lehnstuhles.
    »Es ist wahr,« versetzte Katharina, einen letzten Pfeil in das Herz ihrer Schwiegertochter abdrückend. »Ich sollte wissen, wie peinlich es Euch ist, mein liebes Kind, die Komplotte Eurer Verwandten von Lothringen enthüllt zu sehen, und obgleich Ihr nichts dafür könnt, leidet Ihr doch durch diese Verwandtschaft.«
    »Oh!« rief Anne von Joyeuse, »Ihr seht wohl, daß ich mich nicht täuschte, Sire, der Missetäter erscheint auf dem Platz. Teufel! welch ein gemeines Gesicht!«
    »Er hat Angst,« sagte Katharina; »er wird sprechen.«
    »Wenn er die Kraft dazu hat,« entgegnete der König.
    »Seht doch, meine Mutter, sein Kopf wankt wie der eines Leichnams.«
    »Ich wiederhole,« versetzte Joyeuse; »er ist abscheulich.«
    »Wie soll ein Mensch schön sein, dessen Inneres so häßlich ist? Habe ich Euch nicht die geheimen gegenseitigen Beziehungen des Physischen und Moralischen erklärt, Anne?«
    »Ich sage nicht nein, Sire, aber ich habe zuweilen gesehen, daß äußerst häßliche Menschen sehr tapfere Soldaten waren. Nicht wahr, Henri?«
    Anne wandte sich nach seinem Bruder um, als wollte er dessen Beifall zu Hilfe rufen; doch Henri schaute ohne zu sehen, horchte, ohne zu hören; er war in tiefe Träumerei versunken, der König antwortete daher für ihn.
    »Ei, mein Gott! mein lieber Anne,« rief er, »wer sagt, daß jener dort nicht tapfer sei? Er ist es wie ein Bär, wie ein Wolf, wie eine Schlange. Ihr wißt, er hat inseinem Hause einen normannischen Edelmann, seinen Feind, verbrannt. Er hat sich zehnmal geschlagen und drei von seinen Gegnern getötet; man hat ihn beim Falschmünzen ertappt und deshalb zum Tode verurteilt.«
    »Das ist ein wohlerfülltes Dasein, das bald sein Ende erreichen wird,« sagte Joyeuse.
    »Herr von Joyeuse, ich hoffe im Gegenteil, es wird so langsam wie möglich endigen,« sagte Katharina.
    »Madame,« erwiderte Joyeuse, den Kopf schüttelnd, »die Pferde, die ich dort unter jenem Wetterdache sehe, kommen mir so kräftig und ungeduldig vor, daß ich nicht an einen sehr langen Widerstand der Muskeln, Nerven und Sehnen des Herrn von Salcède glaube.«
    »Ja, wenn man nicht für den Fall vorhersehen würde,« versetzte Catharina mit jenem Lächeln, das nur ihr angehörte; »doch, mein Sohn ist barmherzig, er wird den Knechten Befehle geben, daß sie sacht anziehen lassen.«
    »Aber, Madame,« warf die Königin schüchtern ein, »ich habe Euch diesen Morgen zu Frau von Mercoeur sagen hören, dieser Unglückliche würde nur zwei Züge auszuhalten haben.«
    »Von Herzen gern, wenn er sich gut benimmt,« erwiderte Katharina; »dann wird er so rasch wie möglich abgefertigt werden; doch Ihr versteht, meine Tochter, und ich wollte, Ihr würdet es ihm sagen lassen, da Ihr Euch für ihn interessiert, er halte sich gut, das ist seine Sache.«
    Während dieser Zeit hatten die Hellebardiere, die Bogenschützen und die Schweizer den Raum beträchtlich erweitert, und es herrschte nun rings um das Schafott eine Leere, die alle Blicke Salcèdes trotz der geringen Erhöhung des Blutgerüstes unterscheiden ließ.
    Salcède mochte ungefähr vierunddreißig Jahre alt sein, er war stark und kräftig; seine bleichen Gesichtszüge, worauf einige Schweiß- und Blutstropfen perlten, belebten sich, wenn er umherschaute, durch einen unbeschreiblichen Ausdruck bald der Hoffnung, bald der Angst.Gleich anfangs warf er seine Blicke nach der königlichen. Loge; aber sein Auge verweilte nicht hier, als hätte er begriffen, daß ihm von dort statt der Rettung der Tod drohte.
    Er wandte sich der Menge zu; im Schoße dieses stürmischen Meeres wühlte er mit seinen glühenden Augen und mit seiner am Rande seiner Lippen zitternden Seele.
    Die Menge schwieg. Salcède war kein gemeiner Mörder, er war vor allem von guter Geburt; dabei war er ein Kapitän von einigem Rufe gewesen. Nun durch einen schmählichen Strick gebunden, hatte diese Hand einst mutig das Schwert geführt; dieser bleiche Kopf, auf dem sich die Schrecknisse des Todes abmalten, Schrecknisse, die der Missetäter ohne Zweifel in der tiefsten Tiefe seiner Seele verschlossen haben würde, wenn die Hoffnung nicht zuviel Platz eingenommen hätte, dieser bleiche Kopf hatte großartige Pläne beherbergt. So war Salcède für viele Zuschauer ein Held, für viele andere ein Opfer.
    Man

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