Die Fünfundvierzig
nicht ... Was macht man?« – »Schlingen an das Ende der Stricke.«
»Und was macht er?« – »Er verdreht die Augen wie ein Geier auf der Lauer.«
Wie Pferde waren nahe genug am Schafott, daß die Knechte des Henkers an Salcèdes Füße und Fäuste die an ihren Kummeten befestigten Zugriemen binden konnten.
Salcède brüllte, als er an seinen Knöcheln die rauhe Berührung der Stricke fühlte, die eine Schlinge um sein Fleisch zusammenzog. Er richtete einen äußersten, einen unbeschreiblichen Blick auf diesen ungeheuren Platz, dessen hunderttausend Zuschauer er im Kreise seines Gesichtsstrahls umfaßte.
»Mein Herr,« sagte höflich der Leutnant Tranchon, »beliebt Euch, mit dem Volke zu sprechen, ehe wir fortfahren?« Und er näherte sich dem Ohre des Verbrechers,um leise hinzuzufügen: »Ein gutes Geständnis... und Euer Leben ist gerettet.«
Salcède schaute ihm bis in die Tiefe der Seele. Er begriff, daß der Leutnant aufrichtig war und halten würde, was er versprach.
»Ihr seht,« fuhr Tranchon fort, »man verläßt Euch, Ihr habt keine andere Hoffnung mehr auf dieser Welt, als die ich Euch biete.« – »Nun Wohl!« sagte Salcède mit einem heiseren Seufzer, »gebietet Stillschweigen, ich bin bereit, zu sprechen.«
»Der König verlangt ein geschriebenes und unterzeichnetes Geständnis.« – »Dann macht mir die Hände frei und gebt mir eine Feder, ich werde schreiben.«
Euer Geständnis?« – »Mein Geständnis, es sei.«
Entzückt vor Freude hatte Tranchon nur ein Zeichen zu machen, denn es war für den Fall vorgesehen. Ein Bogenschütze hielt das Erforderliche bereit; er gab ihm Schreibzeug, Federn, Papier, und Tranchon legte alles auf das Holz des Schafotts.
Zugleich lockerte man um etwa drei Fuß den Strick, der Salcèdes rechtes Faustgelenk hielt, und hob ihn auf die Estrade, damit er schreiben konnte.
Als Salcède saß, atmete er zunächst mit aller Kraft und bediente sich seiner Hand, um seine Lippen abzuwischen und seine Haare zurückzustreichen, die, feucht von Schweiß, über seine Augenbrauen herabfielen.
»Vorwärts, vorwärts,« sagte Tranchon, »setzt Euch bequem und schreibt alles.«
»Oh! fürchtet nichts,« erwiderte Salcède, seine Hand nach der Feder ausstreckend. »Seid ruhig, ich werde die nicht vergessen, die mich vergessen.«
Bei diesen Worten schaute er zum letzten Male umher. Ohne Zweifel war der Augenblick, sich zu zeigen, für den Pagen gekommen, denn er ergriff Ernauton bei der Hand und sagte zu ihm: »Mein Herr, habt die Güte, nehmt mich in Eure Arme und hebt mich über diese Köpfe empor,die mich zu sehen verhindern.« – »Ah! in der Tat, Ihr seid unersättlich, junger Mensch.«
»Noch diesen Dienst, mein Herr.« – »Ihr mißbraucht mich.«
»Ich muß den Verurteilten sehen, versteht Ihr? Ich muß ihn sehen. Habt Mitleid, Herr, habt Gnade, ich flehe Euch an.«
Ernauton hob widerstandslos den jungen Menschen in seine Arme, doch nicht, ohne über die Zartheit des Körpers, den er in seinen Händen hielt, zu erstaunen.
Der Kopf des Pagen überragte nun die anderen Köpfe, und Salcède erblickte zu seinem großen Erstaunen das Antlitz des jungen Menschen, der zwei Finger auf seine Lippen drückte. Eine unsägliche Freude verbreitete sich auf dem Gesichte des Verbrechers. Es war wie die Trunkenheit des Reichen, da Lazarus einen Tropfen Wasser auf seine vertrocknete Zunge fallen läßt. Er hatte das so ungeduldig erwartete Signal erkannt, das ihm Hilfe verkündigte.
Nach einem kurzen Zaudern bemächtigte sich Salcède des Papiers, das ihm Tranchon, unruhig über sein Zögern, reichte, und fing an, mit fieberhaftem Eifer zu schreiben.
»Er schreibt, er schreibt,« murmelte die Menge.
»Er schreibt,« wiederholte die Königinmutter mit offenbarer Freude.
»Er schreibt,« sagte der König, »bei Gottes Tod! ich werde ihn begnadigen.«
Plötzlich unterbrach sich Salcède, um noch einmal den jungen Menschen anzuschauen, der dasselbe Zeichen wiederholte, und Salcède schrieb weiter.
Das wiederholte sich noch einmal.
»Seid Ihr zu Ende?« fragte Tranchon, der sein Papier nicht aus dem Gesichte verlor.
»Ja,« antwortete Salcède mechanisch.
»So unterzeichnet.«
Salcède unterzeichnete, ohne seine Augen, die an denjungen Menschen genietet blieben, auf das Papier zu richten.
Tranchon streckte seine Hand nach dem Geständnis aus.
»Dem König, dem König allein,« sagte Salcède.
Und er reichte dem Leutnant das Papier, doch zögernd, wie ein besiegter
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