Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
aufbewahrt wurden. Auf den meisten Decks herrschte zwar schon wieder eine annehmbare Atmosphäre, doch es würde noch etwa zwei Stunden dauern, bis überall wieder normale Verhältnisse hergestellt waren. In der Zwischenzeit wollte er sich sicher fühlen.
Es war schon sehr, sehr lange her, seit er sich zuletzt sicher gefühlt hatte.
Und er wußte, daß es auch jetzt nur eine kurze Atempause für ihn geben würde. Sobald die Magistraten erfuhren, daß er die Hoyer übernommen hatte, würden sie alles gegen ihn einsetzen, was sie aufbieten konnten.
KAPITEL
47
Sybil hatte sich in einer Ecke der Pilotenkanzel des Samuel zusammengekauert. Sie wollte nicht, daß jemand sah, wie sie weinte. Überall um sie herum eilten Menschen hin und her, sprachen miteinander oder betätigten Schalter an den Armaturen.
»Holt Calas her«, sagte der Captain. »Baruch will mit ihm reden.«
»Aye, Sir.« Der Angesprochene machte sich auf den Weg. Sybil legte den Kopf auf die Knie und betrachtete ihre Schuhe. Mom und Dad hatten ihr die Schuhe zum achten Geburtstag geschenkt. Sie erinnerte sich, wie Mom ihr zugeflüstert hatte: »Versuch heute mal, Moshe nicht zu verhauen. Er ist schließlich gekommen, um deinen Geburtstag zu feiern.«
Sie konnte Moshe nicht leiden. Er schubste sie immer auf dem Spielplatz neben der Schule … doch jetzt hätte sie gern gewußt, wie es ihm ging. Und Sybil wünschte, sie wüßte, wie es ihrer Mom ging …
Sie wischte sich die Tränen ab und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie ein Leben ohne ihre Mom sein mochte.
Die Tür öffnete sich, und fremde Stimmen erklangen. Sie schaute auf und sah zwei alte Männer, einer sehr groß, der andere kleiner und rundlich, die mit dem Captain sprachen.
»He«, sagte der Große, »ich kann das Ding hier fliegen. Brauchen Sie einen Co-Piloten? Ich kenne mich mit den Waffen, den Schilden und allem aus.« Er steuerte auf den leeren Sitz vor den Kontrollen zu.
»Du Schwachkopf!« rief der kleinere Mann und zerrte ihn am Gürtel zurück. »Wir wollen nicht schon wieder eine Bruchlandung erleben. Geh dort drüben hin, wo du keinen Schaden anrichten kannst.« Er deutete dorthin, wo Sybil kauerte. Dann setzte er sich Kopfhörer auf und sprach mit jemandem. »Ja«, sagte er, »ich verstehe, Jeremiel. Oh, Gott sei Dank, ich bin ja so froh.«
Der große Mann schaute Sybil neugierig an. Sie setzte sich aufrecht hin. Er lächelte breit und kniete dann neben ihr nieder. »Du bist genau mein Typ«, meinte er. »Willst du nicht mit mir durchbrennen?«
»Ich glaube nicht. Ich heiße Sybil. Und du?«
»Ich bin Ari, und das dort drüben ist Yosef. Er sieht nicht so gut aus wie ich, aber er besitzt andere …«
»Sybil?« rief der kleine Mann. Er setzte den Kopfhörer ab, gab ihn dem Captain und runzelte die Stirn. »Bist du Rachels Tochter?«
»Du kennst meine Mom?« fragte das Kind.
Er lächelte warm. »Ja, ich kenne sie. Und Jeremiel hat mir aufgetragen, dir zu sagen, daß es ihr gutgeht. Er hat gerade ein Schiff ausgeschickt, um sie abzuholen.«
Sybil kam es so vor, als würde ihr Herz zerreißen. Tränen liefen ihr heiß über die Wangen.
»He«, sagte Ari und zog sie auf seinen Schoß. »Ich hätte mir gleich denken können, daß du Rachels Tochter bist. Sie wollte auch nicht mit mir durchbrennen.«
Sybil vergrub ihr Gesicht in seinem Hemd und weinte.
KAPITEL
48
Mikael rollte sich schwerfällig auf die Seite. Er war so müde, daß ihm selbst das Atmen schwer fiel. Sein Blick wanderte durch die Kabine, in der Captain Tahn ihn untergebracht hatte. Der Captain hatte ihn sehr freundlich behandelt und so ein wenig den Schmerz gelindert, der in seinem Innern brannte. Doch dann war ein Doktor gekommen und hatte ihm eine Spritze gegeben. Die Einstichstelle an seinem Arm tat noch immer weh.
»Mikael?«
Der Junge lag stocksteif und angsterfüllt da. Die Stimme drang aus dem Mea, das ihm Metatron gegeben hatte. »Großvater?«
»Ja. Ich vermisse dich ganz schrecklich, mein Junge.«
»Wo bist du?«
»Hier. Im Innern des Mea.«
Mikael stützte sich auf die Ellbogen und blickte auf die leuchtende Kugel, die von seinem Hals herabhing. Ein blaues Strahlen erfüllte den ganzen Raum.
»Kannst du herauskommen, Großvater? Ich brauche dich hier.«
»Ich weiß, Mikael. Aber wenn ich dir nahe sein will, muß ich hier drinnen bleiben. So kannst du mich wenigstens hören.«
»Großvater? Wußtest du, daß die Magistraten Mama getötet haben? Ein großes
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