Wenn Zauberhaende mich beruehren
1. Kapitel
»Ich sehe ja aus wie eine Torte, Schokolade mit Baiser.« Kady drehte sich vor dem hohen Spiegel und verzog das Gesicht. Der Kontrast des strahlendweißen Hochzeitskleides zu ihren dunklen Haaren und dem elfenbeinfarbenen Teint ließ diesen Vergleich durchaus nicht abwegig erscheinen. »Oder an Salzburger Nockerln.«
Debbie mußte lachen.
»Davon will ich kein Wort mehr hören«, erklärte Jane streng. »Hast du gehört, Kady Long? Du siehst absolut hinreißend aus. Das weißt du genau.«
»Gregory weiß es auf jeden Fall«, sagte Debbie und betrachtete Kady mit großen Augen im Spiegel. Als eine von Kadys Brautjungfern war sie gestern aus Nordkalifornien nach Virginia gekommen und hatte Kadys Verlobten erst vor kurzem kennengelernt. Davon hatte sie sich noch immer nicht ganz erholt. Gregory Norman sah einfach phantastisch aus: groß, schlank, dunkelhaarig, und er hatte ein faszinierendes Gesicht mit Augen, die jede Frau zum Träumen brachten. Als er Debbies Finger an seine gutgeschnittenen Lippen gehoben hatte, um sie zu küssen, war sie einer Ohnmacht nahe gewesen.
»Wie soll ich es damit eigentlich bis zum Altar schaffen?« erkundigte sich Kady und hob die schweren Satinbahnen an. »Und seht euch diese Ärmel an. Die sind ja größer als ich selbst. Und erst der Rock!« Fast entsetzt blickte sie auf die Wolken weißen Satins, die sich um sie bauschten und mit einer breiten, perlenbestickten Bordüre auf dem Fußboden endeten.
»Selbstverständlich sind kleine Veränderungen an unseren Roben jederzeit möglich«, erklärte die hochgewachsene, dünne Verkäuferin mit steifen Lippen, die Kritik an der Auswahl ihres Brautmodensalons offenbar gar nicht schätzte.
»Es geht nicht um die Kleider, es geht um mich. Warum kann man den menschlichen Körper nicht nach seinen Wünschen formen wie Kuchen- oder Brotteig? Hier ein wenig weg, dort ein bißchen hinzu.«
»Kady«, warnte Jane. Sie konnte es nicht ertragen, wenn die Freundin irgend etwas Abfälliges über ihr Äußeres sagte.
Aber Debbie schmunzelte. »Wie wäre es mit Pizzateig?« meinte sie und betrachtete Kady im Spiegel. »Der ist so schön zäh. Dann könnten wir uns länger ziehen, wo wir zu kurz sind, und Beulen da hinzufügen, wo sie fehlen.«
Kady mußte lachen. Als sie mit Mitte Zwanzig in New York gemeinsam die hohe Kunst des Kochens gelernt hatten, war Debbie von Kady immer etwas eingeschüchtert gewesen. Während sich alle anderen Schülerinnen Kenntnisse und Methoden erst aneignen mußten, schien Kady bereits alles zu wissen. Sie brauchte sich ein Rezept nur anzusehen und wußte bereits ganz genau, wie es schmecken würde. Sie konnte jedes ihr unbekannte Gericht später haargenau nachkochen. Während andere Schüler mit Rezeptkarten jonglierten und bemüht waren, den Unterschied zwischen Scones und Biscuits nicht zu vergessen, rührte Kady nur Zutaten in einer Schüssel zusammen, klatschte sie auf ein Blech, schob das Ganze in den Ofen und heraus kam etwas absolut Göttliches. Natürlich war Kady der erklärte Liebling aller Lehrer - zum klammheimlichen Neid aller Mitschüler. Und so war Debbie absolut selig, als Kady sie irgendwann ins Kino einlud und damit ihre Freundschaft begründete.
Jetzt, fünf Jahre später, war Debbie verheiratet, hatte zwei Kinder, und ihre kulinarischen Talente konzentrierten sich vor allem auf Erdnußbutter-Sandwiches und gegrillte Steaks an den Wochenenden. Kadys Leben war anders verlaufen. Nach Abschluß der Schule hatte sie Mitschüler und Lehrer mit dem Entschluß schockiert, einen Job in Alexandria, Virginia, anzunehmen, in einem heruntergekommenen Steakhouse namens Onions. Nahezu verzweifelt versuchten ihre Lehrer, sie dazu zu überreden, eins der vielen Angebote anzunehmen, die ihr von erstklassigen Restaurants in New York, Los Angeles, San Francisco und selbst Paris gemacht worden waren. Doch davon hatte sie nichts hören wollen, und alle waren der Meinung, es sei eine himmelschreiende Schande, wenn jemand mit Kadys Begabung seine Talente an ein viertklassiges Steakhouse verschwendete.
Doch dann hatte Kady jedermann erneut verblüfft, indem sie Onions in ein Dreisternerestaurant verwandelte. Inzwischen reisten Gäste aus aller Welt an, um bei ihr zu speisen. Kein Diplomat, Jetsetter oder auch nur wohlinformierte Tourist ließ es sich nehmen, bei Kady zu essen.
Doch was die kulinarische Fachwelt am meisten erstaunte, war die Tatsache, daß Kady ihren unverwechselbaren Stil erfolgreich
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