Die Gebrüder Kip
Reeder und Nat Gibson würden noch am heutigen Abend wiederkommen und ihre Kabinen beziehen, wohin das Reisegepäck noch vorher befördert werden sollte.
Vor der Rückkehr nach dem Kai fragte Gibson den Bootsmann, ob er etwa Veranlassung habe, sich ans Land zu begeben.
»Nein, Kapitän, antwortete Flig Balt. Ich ziehe es vor, an Bord zu bleiben, das ist ratsamer…schon wegen der Überwachung der Mannschaft…
– Sie haben recht, Balt, sagte Gibson. Jedenfalls muß aber der Koch hinüberfahren, um noch Proviant zu besorgen.
– Ich werde ihn übersetzen lassen, Kapitän, und wenn nötig noch zwei Matrosen mitschicken.«
Nachdem in dieser Weise alles geordnet war, brachte das Boot, das den Reeder und seine Begleiter hierher befördert hatte, diese wieder nach dem Kai zurück. Von da aus begaben sie sich nach dem Kontor, mit dem Balfours Wohnung in Verbindung stand, und alle setzten sich bald zum Frühstück nieder.
Das Gespräch bei diesem betraf meist Geschäftsangelegenheiten. Bisher war die Rundfahrt des »James-Cook« ganz nach Wunsch verlaufen und versprach einen recht ansehnlichen Gewinn.
Die große Küstenfahrt entwickelte sich in dieser Gegend des Stillen Ozeans gerade jetzt immer mehr und mehr. Die Besitznahme der Inselgruppen in der Nachbarschaft Neuguineas durch Deutschland versprach die Eröffnung noch weiterer Absatzplätze, und nicht ohne Grund hatte Hawkins noch engere Beziehungen zu dem Herrn Zieger, seinem Korrespondenten in Neuirland – jetzt Neumecklenburg – angeknüpft. Das eben in Wellington zu gründende Kontor sollte sich vor allem des Geschäftes dahin annehmen und von Balfour und Nat Gibson geleitet werden, von denen der zweite sich nach wenigen Monaten hier niederzulassen gedachte.
Nach Beendigung des Frühstückes wollte sich Gibson mit der Verproviantierung der Brigg beschäftigen und dem Koch aufgeben, was er am Nachmittage holen sollte: Konserven, Geflügel, Pöckelfleisch, Mehl, trockene Gemüse, Käse, Bier, Gin und Sherry, Kaffee und Gewürze verschiedener Art.
»Ja, Vater, du wirst aber nicht von hier weggehen dürfen, ohne daß ich ein Bild von dir aufgenommen habe, erklärte da Nat.
– Wie?… Auch das noch?
– Laß dir sagen, lieber Freund, fiel Hawkins ein, daß wir beide von dem Dämon der Photographie angesteckt sind und den Leuten nicht eher Ruhe lassen, als bis sie uns vor dem Objektiv gesessen haben. Da mußt du dich schon wohl oder übel fügen.
– Ich habe ja aber schon zwei oder gar drei solche Bilder zu Hause in Hobart-Town!
– Nun, so bekommst du eben noch eines dazu, antwortete Nat Gibson, und da wir morgen auslaufen, wird Herr Balfour so freundlich sein, es meiner Mutter mit dem nächsten Postschiffe zu übersenden.
– Mit größtem Vergnügen, versicherte Balfour.
– Siehst du, Vater, fuhr der junge Mann fort, so ein Porträt ist ganz wie ein Fisch… der hat auch nur Wert, wenn er ganz frisch ist! Bedenke doch, seit deiner Abfahrt von Hobart-Town sind schon mehr als zehn Monate vergangen, und ich glaube bestimmt, du ähnelst deiner letzten Photographie fast gar nicht mehr, dem Bilde, das in deinem Zimmer auf dem Kaminsimse steht…
– Nat hat recht, bestätigte Hawkins lachend. Ich hätte dich heute Morgen beinahe kaum wiedererkannt.
– Das ist doch etwas stark! rief Gibson.
– Nein nein, ich versichr’ es dir. Nichts verändert das Aussehen des Menschen mehr als so eine zehnmonatige Seereise!
– So tue, was du nicht lassen kannst, mein Sohn, antwortete der Kapitän, ich bin zu jedem Opfer bereit.
– Und welche Haltung willst du einnehmen, fragte der Reeder scherzend, die des Seemannes, der gerade abfährt, oder die dessen, der eben ankommt?… Willst du dich als Befehlshaber zeigen… den Arm nach dem Horizonte ausgestreckt… in der Hand den Sextanten oder das Fernrohr… die Haltung des ›Nächsten nach Gott‹?
– Ganz wie du es willst, Hawkins.
– Und wenn du dann vor dem Apparate sitzt, so denke an irgend etwas. Das gibt dem Gesicht einen lebendigeren Ausdruck… Woran wirst du denn denken?
– O, an meine liebe Frau zu Hause, antwortete Gibson, an meinen Sohn… an dich… meinen Freund…
– Nun, dann werden wir ja ein vortreffliches Bild bekommen!«
Nat Gibson besaß einen jener tragbaren und jetzt hoch vervollkommneten Apparate, die ein Negativ in wenigen Sekunden liefern, Gibson war auch augenscheinlich sehr befriedigt von dem, was sein Sohn nach Besichtigung der Platte sagte, die nun zur weiteren Benutzung
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