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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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untergehend wie ein Schiff.

    Das waren Überstarke, die da blieben,
von diesem Riesigen nicht aufgerieben,
das aus den Kehlen wie aus Kratern brach;
sie dauerten, und alternd nach und nach
begriffen sie die Bangnis der Aprile,
und ihre ruhigen Hände hielten viele
und führten sie durch Furcht und Ungemach
zu Tagen, da sie froher und gesünder
die Mauern bauten um die Städtegründer,
die über allem gut und kundig saßen.

    Und schließlich kamen auf den ersten Straßen
aus Höhlen und verhaßten Hinterhalten
die Tiere, die für unerbittlich galten.
Sie stiegen still aus ihren Übermaßen
(beschämte und veraltete Gewalten)
und legten sich gehorsam vor die Alten.

    III
    Seine Diener füttern mit mehr und mehr
ein Rudel von jenen wilden Gerüchten,
die auch noch Er sind, alles noch Er.

    Seine Günstlinge flüchten vor ihm her.

    Und seine Frauen flüstern und stiften
Bünde. Und er hört sie ganz innen
in ihren Gemächern mit Dienerinnen,
die sich scheu umsehn, sprechen von Giften.

    Alle Wände sind hohl von Schränken und Fächern,
Mörder ducken unter den Dächern
und spielen Mönche mit viel Geschick.

    Und er hat nichts als einen Blick
dann und wann; als den leisen
Schritt auf den Treppen die kreisen;
nichts als das Eisen an seinem Stock.

    Nichts als den dürftigen Büßerrock
(durch den die Kälte aus den Fliesen
an ihm hinaufkriecht wie mit Krallen)
nichts, was er zu rufen wagt,
nichts als die Angst vor allen diesen,
nichts als die tägliche Angst vor Allen,
die ihn jagt durch diese gejagten
Gesichter, an dunklen ungefragten
vielleicht schuldigen Händen entlang.

    Manchmal packt er Einen im Gang
grade noch an des Mantels Falten,
und er zerrt ihn zornig her;
aber im Fenster weiß er nicht mehr:
wer ist Haltender? Wer ist gehalten?
Wer bin ich und wer ist der?

    IV
    Es ist die Stunde, da das Reich sich eitel
in seines Glanzes vielen Spiegeln sieht.

    Der blasse Zar, des Stammes letztes Glied,
träumt auf dem Thron, davor das Fest geschieht,
und leise zittert sein beschämter Scheitel
und seine Hand, die vor den Purpurlehnen
mit einem unbestimmten Sehnen
ins wirre Ungewisse flieht.

    Und um sein Schweigen neigen sich Bojaren
in blanken Panzern und in Pantherfellen,
wie viele fremde fürstliche Gefahren,
die ihn mit stummer Ungeduld umstellen.
Tief in den Saal schlägt ihre Ehrfurcht Wellen.

    Und sie gedenken eines andern Zaren,
der oft mit Worten, die aus Wahnsinn waren,
ihnen die Stirnen an die Steine stieß.
Und denken also weiter: jener ließ
nicht so viel Raum, wenn er zu Throne saß,
auf dem verwelkten Samt des Kissens leer.

    Er war der Dinge dunkles Maß,
und die Bojaren wußten lang nicht mehr,
daß rot der Sitz des Sessels sei, so schwer
lag sein Gewand und wurde golden breit.

    Und weiter denken sie: das Kaiserkleid
schläft auf den Schultern dieses Knaben ein.
Obgleich im ganzen Saal die Fackeln flacken,
sind bleich die Perlen, die in sieben Reihn,
wie weiße Kinder, knien um seinen Nacken,
und die Rubine an den Ärmelzacken,
die einst Pokale waren, klar von Wein,
sind schwarz wie Schlacken –

    Und ihr Denken schwillt.

    Es drängt sich heftig an den blassen Kaiser,
auf dessen Haupt die Krone immer leiser
und dem der Wille immer fremder wird;
er lächelt. Lauter prüfen ihn die Preiser,
ihr Neigen nähert sich, sie schmeicheln heiser, –
und eine Klinge hat im Traum geklirrt.

    V
    Der blasse Zar wird nicht am Schwerte sterben,
die fremde Sehnsucht macht ihn sakrosankt;
er wird die feierlichen Reiche erben,
an denen seine sanfte Seele krankt.

    Schon jetzt, hintretend an ein Kremlfenster,
sieht er ein Moskau, weißer, unbegrenzter,
in seine endlich fertige Nacht gewebt;
so wie es ist im ersten Frühlingswirken,
wenn in den Gassen der Geruch aus Birken
von lauter Morgenglocken bebt.

    Die großen Glocken, die so herrisch lauten,
sind seine Väter, jene ersten Zaren,
die sich noch vor den Tagen der Tataren
aus Sagen, Abenteuern und Gefahren,
aus Zorn und Demut zögernd auferbauten.

    Und er begreift auf einmal, wer sie waren,
und daß sie oft um ihres Dunkels Sinn
in seine eignen Tiefen niedertauchten
und ihn, den Leisesten von den Erlauchten,
in ihren Taten groß und fromm verbrauchten
schon lang vor seinem Anbeginn.

    Und eine Dankbarkeit kommt über ihn,
daß sie ihn so verschwenderisch vergeben
an aller Dinge Durst und Drang.
Er war die Kraft zu ihrem Überschwang,
der goldne Grund, vor dem ihr breites Leben
geheimnisvoll zu dunkeln schien.

    In allen ihren Werken schaut er sich ,
wie

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