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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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hinan;
wie könnt ich also Dich nicht liebend ehren,
laß mich zur Fahne reiner Wahrheit schwören:
    Ich wills vergelten Dir – als Mann.

    Ich will bei meiner Arbeit emsig walten
auf daß es wahr, bis ich Dich wiederseh:
Durch Fleiß und Mühe kann sich viel entfalten;
was er versprach, das wird Dir ewig halten –
    in treuer Lieb Dein dankbarer René.

    Das scheucht den Kummer, dann wird bange
mir nimmermehr vor einer Klag;
Gott geb, daß bei demselben Klange
ich noch viel Jahre folg dem Drange
    zu grüßen diesen schönen Tag! –

    GLAUBENSBEKENNTNIS
2. April 1893

    Ihr lippenfrommen Christen
nennt mich den Atheisten
und flieht aus meiner Näh’,
weil ich nicht wie ihr alle
betöret in der Falle
des Christentumes geh.

    Ich weiß es, eure Lehren,
die wissen zu bekehren,
die machen fromm und – dumm.
Denn nur damit ihr sündigt,
hat man euch einst verkündigt
das Evangelium.

    Und eure Priester sorgen,
daß heute oder morgen
euch nicht mehr Klarheit wird.
Wacht mit Gesetz und Strafe
doch über seine Schafe
der ›unfehlbare‹ Hirt.

    O! heil’ger weiser Vater,
der du des Herrn Berater
    auf dieser Erde bist,
    Du bist der erste Sünder –
verzeih, ich sags gelinder:
du bist der erste Christ.

    Und deine Lämmer lehren:
Die Dreiheit sollt ihr ehren
jetzt und in Ewigkeit.
(Füllt nur den Opferkasten, –
dann seid ihr von den Lasten
der Schulden bald befreit.)

    Die Schafe folgen alle,
sobald mit lautem Schalle
die Kirchenglocke hallt; –
sie fühlen sich entschädigt,
wenn nur der Pfaff die Predigt
verschlafen niederlallt.

    Der spricht von Tod und Ende, . . .
sie falten ihre Hände
und weinen sich halb blind.
Dann murmeln sie ein: Amen,
und gehn … in Gottes Namen, –
wie glücklich sie doch sind! –

    Sie sind ja doch gereinigt
und werden nie gepeinigt
von Fegefeuerglut.
Christ ist für sie gestorben,
hat ihnen Heil erworben
durch sein geheiligt Blut.

    Er lehrte sie dies Leben
und alles – hinzugeben
wie er, – der Menschensohn.
Einst würd’ in andern Welten
Gott Vater es vergelten
mit seinem höchstem Lohn! …

    »Du wirst dann untergehen«,
ruft ihr, »nicht auferstehen,
wenn die Posaune gellt!«
» »Habt Dank, – ich bleibe liegen,
ich lasse mir’s genügen
an dieser einen Welt. –

    Ich glaub an eine Lehre,
von der man sagt, sie wäre
auf Erden selbst sich Lohn.
Die Lehre, die ich übe,
die Lehre heißt die Liebe,
sie ist mir Religion. « «

    〈CHRISTUS AM KREUZ〉
〈Ende 1893〉

    Noch hatten kaum die Fernen sich gelichtet,
so war ich schon der Stadt entflohn und ging
durch frische Aun. – Dort stand ein Kreuz errichtet,
ein schlichtes Holzkreuz. An dem Kreuze hing
ein Christus dort. Nur schlecht und schlicht bemalet
mit greller Farbe – nicht von Künstlerhand.
Er sah vom Licht des jungen Tags bestrahlet
erbärmlich aus. Doch unweit von mir stand
ein armes Weib. Zwei Kinder ihr zur Seite –
gebetvertieft. Die kannten wohl die Not.
Noch hörte ich die Worte: »Gieb uns heute« –
– die Kleinen sprachens mit – »das täglich Brot. « –
Wer könnte denen diese Hoffnung rauben,
die durch das karge Leben knospend bricht!
Es lag in ihren Blicken so viel Glauben,
in ihren Worten so viel Zuversicht.
Dort eilten sie nun wohl zum Tageswerke
in schnellem Schritte. Das Gebet verlieh
den arbeitsmüden Gliedern neue Stärke . . . . .
Da schien es mir – als müßt ich neiden sie.
Still stand ich da, das Auge voll von Tränen,
das arme Herz zwiespältiger Zweifel voll.
Und da vor meinen Augen sah ich jenen,
zu dem sie flehten, daß er helfen soll. –
Was konnte ich nicht beten? warum schaute
ich immer nur das bunte Blech – nicht mehr? . . . .
Er war ein Mensch, wie ich, – doch er vertraute
auf seine eigne Stärke allzusehr. –
Er war ja groß – er hatte edle Ziele
sich vorgesteckt. Doch eines macht ihn klein:
daß er im Übermaße der Gefühle
verleugnete ein schlichter Mensch zu sein …
Gerade damals, als auf tausend Wegen
sich in der Welt verbreitet seine Macht,
da hätt er wohl mit Stolze sagen mögen:
Ich bin ein Mensch, ein Mensch , der dies vollbracht.
Doch da erwachte in ihm das Begehren,
geehrt zu sein, das Vieler Größe beugt, –
er wollte, daß von goldenen Altären
für ihn der Rauch einst in die Lüfte steigt.
Er wollte nicht als Mensch verehret werden, –
nein, lieber trug er Schande, Schmach und Spott, –
nein, lieber wollte leiden er und sterben,
am Kreuze sterben, – aber doch – als Gott.
Nun ist mirs klar, warum ich ihn nicht lieben
noch achten kann, und

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