Die Gefährtin des Vaganten
Pflichten nachgehen. Habt ihr die Eier eingesammelt?«
Hatten sie nicht, und Laure scheuchte sie zu den Hühnerställen.
Im Hof standen noch immer alle untätig um den Leichnam herum und hielten Maulaffen feil. Wildeste Gerüchte breiteten sich wie giftige Pilze aus, allen voran gaben Goswin und Elseken ihre kruden Theorien zum Besten.
»Das Mittagsmahl muss angerichtet werden, Elseken, die Kammern müssen gefegt und die Ställe ausgemistet werden«, sagte Laure mit leiser Stimme in die Runde. »Ihr zwei bringt den armen Mann ins Kelterhaus, aber mit Anstand und Würde«, wies sie zwei Knechte an.
Goswin glotzte sie an, plötzlich seines Publikums beraubt.
»Spielst wieder die Herrin hier«, grollte er.
»Spiele ich nicht, Goswin. Ich bin hier genauso berechtigt, Anweisungen zu geben, wie du!«
Er wandte sich ab, aber sie hörte ihn »Hochnäsige Zicke!« murmeln.
Ihr Verhältnis zueinander war alles andere als freundschaftlich, und wie so oft fragte sich Laure, was ihr gütiger Gatte sich nur dabei gedacht hatte, ihr und seinem ältesten Sohn das Anwesen zu gleichen Teilen zu vermachen.
Immerhin hörte das Gesinde auf sie, und nachdem auch der Bandkrämer weitergezogen war, um seine aufregende Nachricht vom Tod des Pfarrers, und nun auch von dem des Heringshändlers, in der Nachbarschaft zu verkünden, ging alles wieder einigermaßen seinen geregelten Gang.
Bis am Nachmittag der Amtmann von Porz eintraf. Albrecht von Zweiffel war ein hagerer, genauer Mann, der mit ruhiger Stimme darum bat, dass alle Anwesenden sich in der Gaststube versammelten, um seine Fragen zu beantworten. Laure achtete seine besonnene Art, wie er die Leute dazu brachte, einigermaßen brauchbare Auskünfte zu geben, und das Durcheinander von Spekulationen und grausigen Einzelheiten zu entwirren.
Auch sie war inzwischen in der Lage, einen nüchternen Bericht darüber abzuliefern, wie sie den Evert von Alfter, Heringshändler und daher besser bekannt als Herringsstetz, in der Remise gefunden hatte. Dass sie dabei von ihren heimlichen Arbeiten an den Schreibfedern erzählen musste, trug ihr einen giftigen Blick von Elseken ein. Das würde später auch wieder zu zänkischen Bemerkungen führen.
»Den Drugwarenhändler Lucas von Overrath kennt Ihr auch, Frau Laure?«
»Natürlich. Er kommt einmal alle paar Monate hier durch auf seinem Weg von Köln nach Straßburg. Er ist ein anständiger Mann, der seine Rechnung pünktlich begleicht und ordentliche Waren verkauft.«
»Ihr könnt das beurteilen, Frau Laure?«
»Ich stelle die Rechnung für die Unterkunft und das Essen, und ich beziehe Tinte und Papier von ihm.«
»Er ist ein Säufer und Händelsucher«, fiel ihr der Mann ins Wort, den sie als Alard kannte.
»Er säuft nicht mehr als Ihr auch«, fauchte Laure den Muskelprotz an. Sie mochte ihn und seinen Begleiter Curt nicht, aber beide waren gut Freund mit Goswin.
Der Amtmann wandte sich den beiden zu, und die schilderten den Streit, der am Abend zuvor zwischen dem Herringsstetz und dem Drugwarenhändler in der Schankstube ausgebrochen war. Da sie selbst diesen Raum abends nur sehr selten betrat, konnte sie nichts dazu sagen, aber das Gegröle hatte sie natürlich, wie ihre Kinder auch, gehört und sich von der Schankmaid Kathrin die Auseinandersetzung schildern lassen.
»Frau Laure?«, fragte der Amtmann sie, als er die lautstarken Anschuldigungen der beiden Männer angehört hatte.
»Ich war nicht dabei. Aber der Heringshändler war von galligem Gemüt …«
»Und ist auch gestern in der Kapelle in Merheim gewesen«, warf Elseken ein.
Albrecht von Zweiffel hob fragend eine Augenbraue.
»Ihr habt ihn selbst dort gesehen, Frau Elseken?«
Sie druckste herum. Offensichtlich wollte sie sich nur wieder wichtig machen, vermutete Laure. So war sie eben. Wann immer jemand anderes mehr Aufmerksamkeit erhielt als sie, musste sie sich in den Vordergrund drängen.
Die Glocken der Dorfkirche hatten schon zur Vesper geläutet, und Laure erhob sich, um sich unauffällig in die Küche zu begeben. Es war Elsekens Reich, und sie war auch eine einigermaßen zuverlässige Köchin. Nur sie jetzt, da sie sich in der Aufmerksamkeit des Amtmannes sonnte, daran zu erinnern, dass die Gäste verköstigt werden mussten, das stand nicht in Laures Macht. Sie sah sich suchend um – noch nicht einmal Vorbereitungen für die Suppe hatte sie getroffen, und so nahm sie die Reste vom Mittag und Vortag. Es war Fastenzeit, sodass sie gesottenen und
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