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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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von gestern wieder. Schwarz und glänzend schaute sie aus der Jackentasche.
Vorsichtig zog Wanja sie heraus und legte sie in ihre Nachttischschublade. Der Wecker stand auf 11:34 Uhr.
Weiße Ziffern. Alles wie immer. Es ist mir eine große Ehre, dir heute ein besonderes Ereignis anzukündigen.
»Schnutzel, ich will lo-hos!«, rief Jo.
    »Mann, ist das voll hier.« Wanja drängte sich hinter Jo an den Obststand, vor ihr stand eine lange Schlange. Der gefüllte Einkaufskorb zog an ihrem Arm, aber auch Jo hatte in jeder Hand zwei schwere Tüten. Hinter ihnen hatten sich schon weitere Leute angestellt, und als Wanja ihren vollen Korb absetzte, hörte sie zwei vertraute Stimmen.
    »Ich will den Rock aber haben, Mama! Paps hat mir versprochen , dass du ihn mir kaufst!«
»Und wieso soll ich ein Versprechen halten, das Papa dir … na kuck mal, da sind ja Wanja und Frau Walters!«
Jo drehte sich um, während Wanja auf einer ihrer Haarsträhnen herumkaute und den Kopf nur leicht zur Seite neigte. Am Ende der Schlange standen Britta, Alina und ihre Mutter.
»Wo warst du denn gestern plötzlich?« Alina war schon auf Wanja zugelaufen und hängte sich an ihren Arm.
Wanja strubbelte Brittas kleiner Schwester übers Haar. Britta stand direkt dahinter. Ihre Augen trafen sich und auf Brittas Wangen huschte ein roter Schleier. »Tut mir Leid mit gestern«, murmelte sie.
Wanja nickte. »Schon okay.«
»Das nächste Mal sagst du aber bitte Bescheid, bevor du so einfach wegläufst, Wanja«, sagte Brittas Mutter, die sich jetzt auch zu ihnen gestellt hatte.
Jo fasste Wanja an der Schulter. »Weglaufen?«
Brittas Mutter lächelte. »Nichts Ernstes, Frau Walters. Die beiden Mädchen hatten sich gestritten und Wanja war wohl ein wenig aufgebracht. Aber wie ich sehe, hat sich ja alles wieder beruhigt.«
Britta grinste schief und Wanja griff nach dem Einkaufskorb. »Geh weiter, Jo, wir sind gleich dran.«
    »Was war denn los, Mupsel?«, wollte Jo auf dem Rückweg wissen. »Wieso habt ihr euch gestritten?«
    Wanja pikste sich mit der stacheligen Spitze ihrer getrockneten Haarsträhne in die Oberlippe und sah aus dem Autofenster. Wenn sie Jo von Brittas Satz erzählen würde, wäre der Tag gelaufen. Draußen war knallblauer Himmel. An den Bäumen explodierten die Knospen und durch das leicht geöffnete Fenster zog ein klebrig süßer Duft von Frühlingsblüten in Wanjas Nase. Nichts erinnerte mehr an das gestrige Unwetter. Erzähl mir nicht, wie mein Vater zu sein hat, du weißt ja nicht mal, wie deiner aussieht.
    Jo bog von der Hauptstraße in den kleinen Waldweg ab. Die Bäume huschten vorbei, am Wegrand schoss ein erschrockener Hase ins sichere Dickicht, am Hoftor eines Hauses kläffte ein schwarzer Hund.
    Nach nunmehr 100 Jahren Pause zeigt der Hüter der Bilder zum dritten Mal die Ausstellung Vaterbilder. Der erste Besuchstag findet Christi Himmelfahrt statt. Über die genaue Uhrzeit und den Ort werde ich dich noch informieren. Jetzt wünsche ich dir eine gute Nacht.
    »He, ich hab dich was gefragt«, sagte Jo.
    Wanja schaltete das Radio ein. »Ich will nicht drüber sprechen. Wann kommt Flora denn?«
Flora kam um acht. Mit einem neuen Mantel, einer neuen Haarfarbe und einem dunkellila Knutschfleck am Hals, von ihrem neuen Freund. Es musste ungefähr der vierte in diesem Jahr sein.
»Du sammelst Schweine, ich sammle Männer«, hatte Flora einmal lachend zu Jo gesagt und Jo hatte trocken bemerkt, das käme ja wohl aufs Gleiche raus.
Wenn sich Wanja nicht verzählt hatte, gab es in ihrem Haus inzwischen dreiundzwanzig Schweine, die alle einen Namen hatten. Lottchen zum Beispiel hieß das geflügelte Holzschwein, das am seidenen Faden und mit einem seligen Lächeln auf den Lippen am Kronleuchter über dem Esstisch hing. Das dicke Pappschwein auf dem Küchenbord war Erika getauft worden und die beiden blauen Metallschweine im Flur hießen Plisch und Plum.
»Wart mal, ich hatte doch …« Flora griff in ihre Manteltasche. »Ah … hier! Zuwachs für die Schweinebande.«
Als Jo das winzige Silberschwein entgegennahm, kicherte sie. »Wunderbar! Ich werde es Hermine nennen. Und wie heißt dein neues Schwein?« Jo tippte auf den Knutschfleck und Flora streckte ihr die Zunge raus. Dann gab sie Wanja einen Kuss, setzte sich an den Küchentisch und goss sich ein Glas Rotwein ein.
»Er heißt Julien Montier«, seufzte sie.
Jo verdrehte die Augen. »Alter?«
»Neununddreißig.«
»Beruf?«
»Steuerberater.«
»Familienstand?«
Flora ließ die flache

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