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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ereignen sich nur selten, und wenn der Duncan abgesegelt ist, werden Sie diese Insel nicht mehr verlassen können. Sie werden allein sein, nur unter den Augen Gottes, der auch in den Falten der Herzen liest, aber Sie werden nicht verloren oder Ihr Aufenthalt unbekannt sein, wie es mit Kapitän Grant der Fall war. So unwerth Sie des Andenkens der Menschen sein mögen, so werden doch Einige sich Ihrer erinnern. Ayrton, ich weiß, wo Sie sind, wo Sie aufzufinden sind – ich werde das nie vergessen!‹
    Der Duncan setzte Segel bei und verschwand bald am Horizonte.
    Man schrieb damals den 15. März 1855. 1
    Ayrton war allein, doch fehlte es ihm weder an Waffen, Werkzeugen noch an Sämereien. Für ihn, den Verbrecher, stand jetzt das von dem ehrenwerthen Kapitän Grant erbaute Haus bereit. Hier sollte er sein schmachbeladenes Leben fortführen und in der Vereinsamung büßen, was er verbrochen hatte.
    Meine Herren, er bereute gewiß, er schämte sich seiner Verbrechen tief, und war recht, recht unglücklich! Er nahm sich vor, wenn Menschen ihn dereinst auf seinem Eilande wieder aufsuchen sollten, der Rückkehr unter sie wieder werth zu sein! O, wie litt er, der Elende! Wie war er rastlos thätig, um sich durch die Arbeit zu läutern! Wie betete er inbrünstig um seine innere Wiedergeburt!
    Zwei, drei Jahre flossen auf diese Weise dahin; niedergeschlagen durch die fürchterliche Einsamkeit, immer auslugend, ob ein Schiff wohl innerhalb des Horizontes seiner Insel erscheine, sich fragend, ob die Zeit seiner Buße bald erfüllt sei, litt er wohl mehr, als je ein Anderer! O, wie entsetzlich ist diese Verlassenheit für eine von Gewissensbissen gemarterte Seele!
    Noch schien es dem Himmel aber nicht der Strafe genug für den Unglücklichen, welcher es selbst fühlte, daß er nach und nach zum Wilden wurde! Immer mehr verfiel er der Erniedrigung zum Thiere. Er kann Ihnen nicht sagen, ob das nach zwei oder drei Jahren der Verlassenheit war, daß er zu dem Elenden wurde, als welchen Sie ihn auffanden!
    Ich brauche wohl nicht ausdrücklich hinzuzufügen, meine Herren, daß Ben Joyce oder Ayrton und ich – ein und dieselbe Person sind!«
    Cyrus Smith und die Anderen hatten sich gegen Ende dieses Berichtes erhoben; ihre Erregtheit ließe sich nur schwer schildern, als sich so viel Elend, so viele Qual und Verzweiflung vor ihren Augen enthüllte.
    »Ayrton, begann endlich Cyrus Smith, Sie waren einst ein schwerer Verbrecher, doch der Himmel muß es wissen, daß Sie auch schrecklich gebüßt haben, – er hat es dadurch bewiesen, daß er Sie wieder in menschliche Gesellschaft gelangen ließ. Ihnen ist Verzeihung geworden, Ayrton! Wollen Sie nun unser Genosse sein?«
    Ayrton war zurückgetreten.
    »Hier meine Hand!« sagte der Ingenieur.
    Hastig ergriff Ayrton die dargebotene Rechte, und heiße Thränen rannen aus seinen Augen.
    »Wollen Sie nun in Gemeinschaft mit uns leben? fragte Cyrus Smith.
    – Gönnen Sie mir noch einige Frist, erwiderte Ayrton, lassen Sie mich jetzt noch allein in dem Hause bei der Hürde wohnen.
    – Ganz wie Sie wollen, Ayrton«, antwortete Cyrus Smith.
    Ayrton wollte sich schon zurückziehen, als der Ingenieur noch eine letzte Frage an ihn richtete:
    »Ein Wort noch, mein Freund. Da es Ihre Absicht war, für sich zu leben, warum haben Sie das Document in’s Meer geworfen, das uns auf Ihre Spuren führte?
    – Ein Document? antwortete Ayrton verwundert, der nicht zu verstehen schien, wovon die Rede war.
    – Ja wohl, jenes in einer Flasche eingeschlossene Document, welches wir auffanden, und das die genaue Lage der Insel Tabor angab.«
    Ayrton strich, wie um sich zu entsinnen, mit der Hand über die Stirne und sagte:
    »Ich habe niemals ein solches Document in’s Meer geworfen.
    – Niemals? fragte Pencroff.
    – Niemals!«
    Ayrton verneigte sich ein wenig und verschwand durch die Thür.
Fußnoten
    1 Die hier auszugsweise mitgetheilten Ereignisse sind einem wohl auch einem Theile unserer Leser bekannten Werke unter dem Titel »Die Kinder des Kapitän Grant« entnommen. Hier und auch im Weiteren dürfte eine mangelnde Uebereinstimmung der Zeitangaben auffallen; im Verlaufe der Erzählung wird man aber auch die Ursache dargelegt finden, warum die richtigen Daten nicht von vorn herein benutzt werden konnten.
    Anm. d. Herausg.
     

Achtzehntes Capitel.
Unterhaltung. – Cyrus Smith und Gedeon Spilett. – Eine Idee des Ingenieurs. – Der elektrische Telegraph. – Die Leitung. – Die Säule. – Das

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