Die Geisel von Zir
Sänftenträger zusammen. Die Touristen schoben und drängten jetzt ebenfalls an Land. Reith feilschte gerade mit dem ersten Trägergespann um den Preis, als Shirley Waterford sich energisch zu Wort meldete: »Furchtloser, ich werde um keinen Preis eines dieser Dinger benutzen!«
Er wandte sich überrascht um. »Warum denn nicht?«
»Es gehört sich einfach nicht, Menschen als Lasttiere zu missbrauchen. Das ist blanker Rassismus!«
»Ach, du lieber Gott! Shirley, ich flehe Sie an, fangen Sie nicht ausgerechnet jetzt damit an! Das ist eben hier so Brauch, und kein Mensch käme auf die Idee, Anstoß daran zu nehmen. Außerdem, wenn wir diese armen Burschen nicht mieten, wie sollen sie dann ihren Lebensunterhalt verdienen?«
»Dieses Argument zieht bei mir nicht. Ich kann und will mich nicht zu solch einem empörenden Verhalten herablassen. Es ist eine Beleidigung der Menschenwürde! Warum kann ich nicht mit der Kutsche da fahren?«
Entnervt fragte Reith den Kutscher nach seinem Preis. Die Antwort kam in einem so starken Majbur-Dialekt, dass Reith erst Khorsh zum Übersetzten holen musste.
Als Miss Waterford endlich in der Kutsche Platz genommen hatte, kamen Considine und Pride plötzlich auf die Idee, dass sie sich auch lieber von einem Aya ziehen als in einer Sänfte durchschütteln lassen wollten. Sie rannten zu der Kutsche und kletterten hinein. Ihre Sänftenträger erhoben sofort lauthals Protest.
»Was sagen sie, Vater Khorsh?« fragte Reith mit gequälter Miene.
»Sie sagen, du hättest einen rechtsgültigen Beförderungsvertrag mit ihnen geschlossen, mein Sohn. Sie sagen, du schuldest ihnen den Fahrpreis, egal ob sie diese beiden Erdenbürger befördern oder nicht.«
Reith war nahe daran, laut loszubrüllen und sich die Haare auszuraufen. »Was soll ich jetzt tun?« fragte er händeringend. »Ihnen das Fahrgeld geben oder ihnen sagen, sie sollen sich zum Hishkak scheren?«
»Gestatte mir, einen Moment nachzudenken, mein Sohn. Ah! Ich glaube, ich habe eine Lösung. In der Eile hast du vergessen, dass wir beide ja auch mitfahren müssen.«
»Ich hatte eigentlich die Absicht, zu Fuß zu gehen, um die Gepäckträger im Auge behalten zu können. Aber verzeiht mir, dass ich Euch ganz vergaß.«
»Dann lass uns doch einfach die zwei leeren Plätze einnehmen und auf diese Weise beide Seiten zufrieden stellen, so wie Kurde der Weise es in der Legende getan hat.«
»Gut. Wenn bloß keiner meiner Leute oder das Gepäck verloren geht!«
Die Sänfte sah aus wie eine Telefonzelle mit Sitzbank, mit vorn und hinten je einem Paar hölzerner Tragestangen. Als Reith sich hineinzwängte, verhedderte er sich prompt in seinem Schwert und musste einen zweiten Anlauf nehmen. Die zwei Träger, die beide einen ledernen Traggurt über der Schulter hatten, um einen Teil der Last auf die Schulter zu verlagern, bückten sich und hoben die Sänfte mit einem Ruck in die Höhe.
Die Prozession setzte sich in Bewegung. Reith reckte den Hals aus dem Fenster, um seinen Konvoi im Auge zu behalten. Er selbst befand sich etwa in der Mitte des Zuges. Nach den Sänften folgten die Gepäckträger, und ganz am Schluss kam die Kutsche.
Die Prozession fädelte sich in das Straßengewirr hinter dem Hafen ein. Die Straßen und Gassen waren so eng und verwinkelt, dass die Sänftenträger sich am äußersten Rand halten mussten, damit die Fußgänger sich vorbeiquetschen konnten. Da keine der Gassen über mehr als zwei Blöcke geradeaus verlief, hatte Reith rasch das Ende des Zuges aus den Augen verloren.
Als die Straße dann endlich wieder einmal eine längere Strecke gerade verlief und Reith das Ende der Prozession sehen konnte, war die Kutsche verschwunden. Die Gepäckträger waren noch da, aber von der Kutsche mit Shirley Waterford und den beiden Bübchen konnte er weit und breit nichts sehen.
Reith überlegte. War das Gefährt im Gewühl stecken geblieben? Oder vielleicht von Kidnappern überfallen worden? Einen Moment schwankte er. Sollte er zurücklaufen und sie suchen? Aber dann beschloss er mit einem inneren Ruck, seine verloren gegangenen Schäfchen ganz der Gnade Dashmoks anzuvertrauen. Wenn sie verloren gingen, dann war es schließlich ihre eigene Dummheit.
Roqir verabschiedete sich bereits in der vollen purpurvioletten Pracht eines krishnanischen Sonnenuntergangs, als die Prozession vor einem unbeschreiblichen Gebäude aus Stein und Holz haltmachte, dessen Tür der Schädel irgendeines krishnanischen Untiers zierte. Auf dem
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