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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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»Maman … Hast du die ganzen Geschenke bezahlt? Von deinem eigenen Geld?«
    Joséphine nickte.
    »Aber, Maman … sind wir denn jetzt reich?«
    Joséphine lachte hellauf und setzte sich auf den Rand der Badewanne.
    »Ich habe eine neue Arbeit gefunden: als Übersetzerin. Aber pssst, das ist ein Geheimnis, du darfst niemandem davon erzählen, sonst bekomme ich keine Aufträge mehr! Versprochen?«
    Hortense hob die Hand und versprach es.
    »Ich habe achttausend Euro für die Übersetzung einer Biografie von Audrey Hepburn bekommen, und es ist gut möglich, dass ich noch viele andere Bücher übersetzen werde …«
    »Und dann haben wir richtig viel Geld?«
    »Und dann haben wir richtig viel Geld …«
    »Und ich bekomme ein Handy?«, fragte Hortense.
    »Vielleicht«, antwortete Joséphine, glücklich über das freudige Leuchten in den Augen ihrer Tochter.
    »Und wir ziehen um?«
    »Findest du es hier denn so furchtbar?«
    »Ach, Maman … es ist so spießig! Wie soll ich hier jemals die richtigen Leute kennenlernen?«
    »Wir haben Freunde. Denk doch nur an den wunderschönen Abend. Das kann kein Gold der Welt aufwiegen!«
    Hortense verzog das Gesicht.
    »Ich möchte in Paris wohnen, in einem schicken Viertel … Weißt du, die richtigen Beziehungen sind mindestens genauso wichtig wie die richtige Ausbildung.«
    Sie sah so frisch aus in ihrem Trägershirt und der rosafarbenen Pyjamahose, so groß und schön. Ihr Gesicht strahlte Ernst und Entschlossenheit aus. Und so hörte Jo sich sagen: »Ich verspreche dir, mein Schatz, wenn ich genug Geld verdient habe, ziehen wir nach Paris.«
    Hortense ließ den Wattebausch los und fiel ihrer Mutter um den Hals.
    »Oh, Maman, meine allerliebste Maman! Ich liebe dich, wenn du so bist! Wenn du stark bist! Entschlossen! Übrigens, das habe ich dir noch gar nicht gesagt: Deine neue Frisur und die Strähnchen sind super! Du siehst damit wirklich gut aus! Bildhübsch …«
    »Dann hast du mich also doch ein bisschen lieb?«, fragte Joséphine und bemühte sich, ihre Stimme scherzhaft und nicht flehend klingen zu lassen.
    »Oh, Maman, ich liebe dich über alles, wenn du eine Gewinnerin bist. Ich ertrage es nicht, dich als trauriges, unscheinbares Mäuschen zu sehen. Das deprimiert mich … Nein, schlimmer, das macht mir Angst. Dann denke ich immer, dass irgendwann alles den Bach runtergeht …«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Ich denke dann, dass du beim ersten größeren Problem zusammenbrichst, und das macht mir Angst.«
    »Ich verspreche dir, mein Liebling, hier wird ganz bestimmt nichts den Bach runtergehen. Ich werde arbeiten wie eine Verrückte und jede Menge Geld verdienen, und du brauchst nie wieder Angst zu haben!«
    Joséphine schloss die Arme um den warmen, weichen Körper ihrer Tochter und dachte bei sich, dass dieser Moment, dieser vertraute,
zärtliche Moment mit Hortense, ihr allerschönstes Weihnachtsgeschenk war.
     
    Als sie am nächsten Morgen am Bahnsteig F der Gare de Lyon standen, wo der Zug 6745 in Richtung Lyon, Annecy und Sallanches abfuhr, hatte Zoé Kopfschmerzen, Hortense gähnte, und Joséphines Nase leuchtete violett, grün und gelb. Mit ihren bereits entwerteten Fahrscheinen in der Hand warteten sie auf Iris und Alexandre.
    Sie hielten den Griff ihrer Koffer fest umklammert, aus Angst, dass sie ihnen gestohlen werden könnten, und wurden unablässig von gehetzten Reisenden angerempelt. Immer wieder sahen sie auf den großen Zeiger der Bahnhofsuhr, der unbarmherzig näher an die Abfahrtszeit heranrückte.
    In zehn Minuten würde der Zug losfahren. Joséphine verdrehte den Kopf in alle Richtungen und hoffte, irgendwo ihre Schwester und den kleinen Alexandre zu entdecken, die auf sie zurannten. Aber es war nicht dieser beruhigende Anblick, der ihr plötzlich ins Auge stach. Unvermittelt erstarrte sie wie ein Hund, der Wild gewittert hat.
    Sie wandte sich hastig um und betete, dass ihre Töchter nicht sahen, was sie gerade gesehen hatte: Chef, der auf dem gleichen Bahnsteig stand wie sie, seine Sekretärin Josiane mitten auf den Mund küsste und ihr anschließend mit tausend guten Ratschlägen, geschmatzten Küssen und affektiertem Getue in den Zug half. Wie lächerlich, dachte Joséphine, er tut ja gerade so, als trüge er das Allerheiligste Sakrament! Sie schaute noch ein letztes Mal hin, um sich zu vergewissern, dass sie sich nicht geirrt hatte, und sah erneut ihren Stiefvater, der hinter der fülligen Josiane auf das Trittbrett des Zuges

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