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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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zurück in dein Zimmer!«, brüllte Philippe und nahm die blaue Maske ab.
    Iris sah die Panik in den Augen ihres Sohnes. Sie stand auf, nahm seine Hand und sagte: »Ich bringe ihn ins Bett.«
    »Das ist keine Art, dieses Kind zu erziehen. Was willst du aus ihm machen? Ein Muttersöhnchen? Einen Mann, der Angst vor seinem eigenen Schatten hat?«
    »Ich bringe ihn einfach nur zurück ins Bett … Du brauchst nicht gleich ein Drama daraus zu machen. Na komm, Schatz.«
    »Unfassbar ist das! Einfach unfassbar!«, schimpfte Philippe, während er sich wieder auf die Seite drehte. »So wird dieses Kind niemals erwachsen.«
    Iris nahm Alexandre bei der Hand und brachte ihn zurück in sein Zimmer. Sie schaltete das Nachtlicht ein, das am Kopfende seines Bettes befestigt war, schlug das Laken zurück und bedeutete Alexandre mit einer Geste, sich hinzulegen. Er kroch unter die Decke. Sie legte eine Hand auf seine Stirn und fragte: »Wovor hast du denn Angst, Alexandre?«
    »Ich hab Angst …«
    »Jetzt bist du noch ein kleiner Junge, Alexandre, aber bald wirst du ein Mann sein. Du wirst in einer Welt voller Gemeinheit leben, und deshalb musst du stark werden. Und das geht nicht, indem du weinend ans Bett deiner Eltern kommst und…«
    »Ich hab nicht geweint!«
    »Du hast deiner Angst nachgegeben. Sie war stärker als du. Das ist nicht gut. Du musst sie besiegen, sonst wirst du immer ein kleines Kind bleiben.«
    »Ich bin kein kleines Kind mehr.«
    »Doch … Du willst bei uns im Bett schlafen wie früher, als du noch ein kleines Kind warst.«
    »Nein, ich bin kein kleines Kind.«
    Vor Wut und Kummer verzog er das Gesicht. Er war wütend auf seine Mutter, die ihn nicht verstand, und gleichzeitig felsenfest davon überzeugt, dass er wirklich Angst hatte.
    »Du bist gemein!«
    Iris wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie sah ihn mit offenem Mund an, wollte protestieren, aber kein Wort kam über ihre Lippen. Sie wusste nicht, wie sie mit ihrem Sohn reden sollte. Sie stand an einem Ufer und Alexandre am anderen. Schweigend schauten sie einander an. Es hatte gleich nach seiner Geburt angefangen. Im Krankenhaus. Als man Alexandre in das gläserne Bettchen neben ihrem Bett gelegt hatte, hatte Iris gedacht: Aha, ein neuer Mensch in meinem Leben! Nicht ein einziges Mal hatte sie das Wort »Baby« ausgesprochen.
    Iris’ Schweigen und ihre offenkundige Verlegenheit verstärkten Alexandres Angst. Es muss etwas Schlimmes passiert sein, wenn Maman nicht mit mir reden kann. Wenn sie mich anschaut, ohne etwas zu sagen.
    Iris küsste ihren Sohn auf die Stirn und richtete sich wieder auf.
    »Maman, kannst du bei mir bleiben, bis ich eingeschlafen bin?«
    »Dein Vater wird wütend sein …«
    »Maman, Maman, Maman …«
    »Ich weiß, Schatz, ich weiß. Ich bleibe bei dir, aber du musst mir versprechen, dass du dich beim nächsten Mal zusammennimmst und in deinem Bett bleibst.«
    Er antwortete nicht. Sie nahm seine Hand.
    Er seufzte und schloss die Augen. Sie legte eine Hand auf seine Schulter und streichelte ihn zärtlich. Sein langer, schmächtiger Körper, seine braunen Wimpern, sein schwarzes, lockiges Haar … Er strahlte die zerbrechliche Anmut eines ängstlichen, nervösen Kindes aus. Selbst als er sich entspannte, blieb eine Falte zwischen seinen Augenbrauen, und seine Brust hob und senkte sich, als werde sie von einer zu schweren Last niedergedrückt. Immer wieder seufzte er vor Angst und Erleichterung, und seine Seufzer schnürten ihr die Kehle zu.
    Er ist zu uns ins Schlafzimmer gekommen, weil er gespürt hat, dass ich ihn brauchte. Kinder ahnen so etwas. Sie sah sich selbst wieder als
kleines Mädchen, das laut über die Späße seines Vaters lachte und herumkasperte, um die schwere, dunkle Wolke zwischen ihren Eltern zu verscheuchen. Es passierte nie etwas Schlimmes zwischen ihnen, und trotzdem hatte ich Angst … Papa war so rund, so gutmütig, so sanft. Maman so trocken, so hart, so dürr. Zwei Fremde, die im gleichen Bett schliefen. Sie hatte immer weiter den Clown gespielt. Es fiel ihr leichter, die Leute zum Lachen zu bringen, als auszudrücken, was sie in ihrem Inneren fühlte. Als dann zum ersten Mal jemand in ihrer Gegenwart geflüstert hatte: »Seht nur, wie hübsch dieses kleine Mädchen ist! Was sie für wunderbare Augen hat! Ich habe noch nie solche Augen gesehen!«, hatte sie das Clownskostüm gegen die Aufmachung des hübschen Mädchens getauscht. Ein Rollenspiel!
    Es geht mir nicht gut. Meine Fassade

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