Die Geliebte des griechischen Reeders
Aufmerksamkeit galt ihrem Sohn, der neben ihr auf dem Babysitz energiegeladen mit den kleinen Füßen strampelte. Zum Anbeißen süß sah er in seinem blauen Spielanzug aus, und sie beugte sich lächelnd über ihn, obwohl bedrückende Gedanken sie quälten.
Wie hatte sie sich in der Hochzeitsnacht nur so kindisch aufführen können? Damit hatte sie ihre gerade begonnene Ehe gefährdet. Nun wusste sie nicht, was sie tun sollte.
Drei Wochen waren seit der katastrophalen Nacht vergangen, in der die Eifersucht sie übermannt hatte. Und Atreus schlief immer noch im Gästezimmer. Sie berührten sich nur, wenn sie sich Theo reichten oder Atreus sie fürsorglich am Arm hielt. Ansonsten hütete er sich, ihr nahe zu kommen – als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Nachdem sie ihn abgewiesen hatte, versuchte er nicht mehr, sich ihr zu nähern, sondern hielt Abstand.
Davon abgesehen, verliefen ihre Flitterwochen jedoch sehr erfreulich und abwechslungsreich, und Atreus erwies sich als amüsanter, einfallsreicher Begleiter.
Die Insel Thrazos war hügelig, grün und von herrlichen einsamen Stränden umgeben. Und Atreus war darauf bedacht, ihr alles zu zeigen. An einem Ende gab es ein Fischerdorf mit einem malerischen Hafen, von dem sie fast täglich mit Atreus’ Segeljacht auf Erkundungstour gingen.
Ein sonnenüberfluteter Tag unter blauem, wolkenlosem Himmel löste den anderen ab. Manchmal wurde Lindy die Hitze zu drückend und sie suchte den Schatten, während Atreus dann erst richtig in seinem Element war. Auf dem offenen Meer wehte eine frische Brise, beim Segeln fühlte auch Lindy sich wohl und genoss es, wenn sie Badepausen einlegten oder Picknicks in abgeschiedenen Sandbuchten machten.
Dann gab Atreus sich ihr gegenüber locker, natürlich und gesellig, obwohl es zwischen ihnen nicht stimmte. Die Abende verliefen weniger unterhaltsam, weil Lindy sie meist allein verbrachte. Nach dem Essen, wenn sie Theo ins Bett gebracht hatten, verschanzte Atreus sich in seinem Büro, um zu arbeiten, sodass Lindy stets als Erste schlafen ging.
Trotz allem gefiel ihr das sorglose, freie Leben auf der Insel. Tagsüber begnügte sie sich mit lockeren Freizeitsachen, und erst nach Sonnenuntergang schlüpfte sie in ein Kleid. Wiederholt hatte sie mit Atreus in der Hafentaverne fürstlich gegessen und die einheimische Küche schätzen gelernt.
An einem griechischen Festtag hatte Lindy dort abends unter einer Platane gesessen und zugesehen, wie Atreus ausgelassen mit den anderen Männern tanzte. Nur hier, hatte er ihr irgendwann erzählt, habe er sich in seiner Jugend wirklich frei und glücklich gefühlt. Beinahe seine gesamten Ferien hatte er als Junge auf der Insel verbracht. Hier hatte er segeln gelernt und kannte jeden Bewohner beim Namen. Auch jetzt blieb Atreus in den engen Gassen immer wieder stehen, um Menschen zu begrüßen und sich nach ihrer Familie zu erkundigen.
Gelegentlich segelten sie auch zur Insel Rhodos, die mehr Luxus und Trubel zu bieten hatte als das verträumte Thrazos. Bei einem Juwelier auf Rhodos hatte Atreus für Lindy modernen Designerschmuck entdeckt und ihr spontan gekauft. Während eines ausgedehnten Einkaufsbummels durch die Boutiquen fanden sie luftige Sommerkleider, Shorts und leichte Blusen, mit denen Lindy sich für die Hitze in Griechenland ausstattete.
Theo nahmen sie fast immer mit. In der ersten Woche war er in der Inselkirche in einer schlichten, ergreifenden Zeremonie getauft worden. Er war ein unkompliziertes Baby, das überall schlief und wenig weinte. Jedes Mal, wenn Lindy in seine großen blauen Augen sah, durchströmte sie eine Welle des Glücks.
Jetzt blickte Lindy ihren kleinen Sohn seufzend an. „Ich habe alles verdorben“, wiederholte sie unglücklich. „Wie gern würde ich mich für mein Verhalten in der Hochzeitsnacht entschuldigen, aber dein Vater scheint das nicht verstehen zu wollen.“ Oft genug hatte sie ihm Zeichen gegeben und Andeutungen gemacht, doch er reagierte einfach nicht.
Mehrfach hatte sie den ersten Schritt getan, seine Hand ergriffen, sich sexy gekleidet, ihn angelächelt, verlangend angesehen, zu flirten versucht. Umsonst. In ihrer Verzweiflung hatte sie sich auf dem Jachtdeck sogar oben ohne ausgestreckt, doch Atreus hatte sie nur gewarnt, sie könne sich einen Sonnenbrand holen.
Entweder fand er sie nicht mehr attraktiv, oder sie musste sich tapfer zu einer Entschuldigung durchringen, um das Eis zu brechen.
Nachdem Atreus sich an diesem Abend wieder in
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