Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
änderte ihren antiken Namen in Civitas Austriae (Stadt des Ostens). Aus Civitas wurde dann Cividale, heute ein Städtchen mit rund 11000 Einwohnern, während Forum Iulii, abgewandelt zu Friuli, auf Deutsch Friaul, nun die ganze Region bezeichnet. Der Name der Langobarden lebt fort in der Region Lombardei.
Beim Sieg Karls über die Langobarden war Arichis, der jüngere Bruder des Paulus Diaconus, in fränkische Gefangenschaft geraten. Weil dessen Frau und vier Kinder bittere Not litten, verfasste Paulus 782 ein Bittgedicht an den Frankenkönig und erschien sogar persönlich vor dem neuen starken Mann, um die Freilassung seines Bruders zu erflehen. Karl verlangte allerdings, dass Paulus für ihn tätig werde. Einige Jahre lebte Paulus am Hofe Karls, verfasste historische Berichte und poetische Werke. »Der Hof ist mir ein Gefängnis«, schrieb der Mönch über die Zeit seines Aufenthalts, denn der König ließ sich Zeit, das Anliegen des Bittstellers zu erfüllen und dessen Bruder aus der Gefangenschaft zu entlassen. Trotzdem entstand zwischen Paulus und Karl dem Großen eine intensive Freundschaft, die auch anhielt, nachdem der Mönch nach Monte Cassino zurückgekehrt war. Dort schrieb er in den letzten Lebensjahren sein Hauptwerk nieder. Mit patriotischem Stolz, bisweilen pathetisch und moralisch-belehrend erzählt Paulus das Schicksal der Langobarden.
Es ist die wichtigste Quelle zur Geschichte dieses Volkes, aber auch eine der bedeutendsten zur frühmittelalterlichen Geschichte überhaupt. Mehr als 100 handschriftliche Kopien der »Historia Langobardorum«, die noch heute in europäischen Bibliotheken stehen, künden vom sofortigen Ruhm des Werkes.
Unklar ist, warum Paulus mit einem verklärenden Nachruf auf König Liutprand abschließt, den Verfall des Langobardenreiches in den drei Jahrzehnten nach Liutprands Tod aber nicht mehr aufgezeichnet hat, obwohl er diese Zeit selbst miterlebt hatte. »Vor allem in Epochen nationalistisch geprägten Denkens«, notiert »Historia«-Übersetzer Schwarz, sei gemutmaßt worden, Paulus habe »sein Werk aus Verbitterung über den politischen Niedergang abgebrochen«. Doch »für Frust und Resignation« gebe es »keine Ansätze in konkreten Äußerungen oder im vorherrschenden Grundton des Werks«. Vielmehr sei Paulus »mit der Rolle der Franken im Weltgeschehen und dem nach Gottes Willen zum Schutzherrn der Kirche aufgestiegenen Sieger nach anfänglicher Ablehnung im Reinen« gewesen. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass Paulus starb, bevor er sein Opus magnum vollenden konnte. Als Todestag wurde in einem Klosterdokument der 13. April festgehalten – das Jahr, vielleicht 795, ist nicht vermerkt.
ANHANG
Kleine Chronik zu den Germanen
4. Jahrhundert vor Christus bis 751 nach Christus
4. Jh. v. Chr.
Der griechische Seefahrer Pytheas berichtet von einer Seefahrt bis weit ins nördliche Europa.
um 230 v. Chr.
Das Römische Reich geht militärisch gegen den Stamm der Bastarner im Karpatenraum vor, die bis an die Schwarzmeerküste vorgedrungen sind. Spätere Historiker rechnen die Bastarner zu den Germanen.
113 v. Chr.
Kimbern, Teutonen und Ambronen siegen bei Noreia in den Ostalpen über römische Truppen unter Konsul Papirius Carbo.
109/105 v. Chr.
Im Rhônetal schlagen Kimbern und Teutonen vernichtend römische Heere.
102/101 v. Chr.
Marius besiegt die Teutonen bei Aquae Sextiae (Aix-en-Provence), die Kimbern bei Vercellae.
58 v. Chr.
Cäsar schlägt am Oberrhein den Suebenfürsten Ariovist. In seinem »Gallischen Krieg« unterscheidet der Staatsmann erstmals die Germanen klar von den gallischen Kelten.
55–53 v. Chr.
Mit Siegen gegen Germanen sowie mit zwei Rheinübergängen unterstreicht Cäsar den Anspruch Roms auf die Vormachtstellung auch über Gallien hinaus.
16 v. Chr.
Ein Bündnis von Rheingermanen aus Sugambrern, Usipetern und Tenkterern schlägt Roms Truppen unter Marcus Lollius vernichtend.
16 v. Chr.–14 n. Chr.
Unter Augustus führt Rom nahezu regelmäßig Krieg in Germanien. Ihm gelingen Vorstöße bis an die Elbe.
9 n. Chr.
Schlacht am Teutoburger Wald: Der Cherusker Arminius lockt drei Legionen in die Falle und vernichtet sie.
14–17
In mehreren Kampagnen dringt Germanicus über die Weser hinaus vor. Bis zum Bataveraufstand (69) gibt es kaum Konflikte zwischen Römern und Germanen.
18
Der zeitweise mächtige Markomannenherrscher Marbod unterliegt seinem innergermanischen Rivalen Arminius und geht ins römische Exil.
81–96
Kaiser
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