Die Germanin
gegen die Stämme rechts des Rhenus beteiligt war, hatte alles verstanden.
»Recht hast du«, sagte er zu dem Glatzkopf. »Die Legionen brauchen frisches Blut. Was kommt es da auf ein paar Jahre an. Die beiden sehen gesund und kräftig aus.«
»Mein Ältester hat schon einen Auerochsen erlegt«, sagte Segimer stolz.
»Wie heißt er?«
»Segifrit.«
»Und du? Hast du keine Söhne?«, fragte Caecina den Langen.
»Erst einen.« Segestes kraulte seinen Bart und grinste. »Aber heute Nacht kommt ein zweiter dazu.«
»Heute Nacht?«
»Vielleicht ist er schon da!«
Sie lachten, verstummten aber sogleich, denn missbilligende Blicke trafen sie.
Durch die schmale Türöffnung sahen sie das starre, strenge Gesicht des Tiberius im trüben Schein einer Öllampe.
»Jetzt wird es hier anders langgehen«, sagte Caecina leise auf Lateinisch, das wiederum die beiden Germanenführer recht gut beherrschten. »Der versteht keinen Spaß, er ähnelt seinem Bruder wie der Habicht dem Fasan. Ihr werdet das bald zu spüren bekommen. Schade um Drusus. Was für ein feiner Kerl! Wie fröhlich, wie leutselig. Mich, einen einfachen Zenturio, nannte er seinen Freund. Hätte ich ihn nicht aufgehalten, vor einem Monat… vielleicht wäre dann alles nicht passiert. Doch ich war kleinmütig, dachte nur an meine eigene Haut.«
»Du konntest den Feuerkopf aufhalten?«, fragte Segestes.
»Er wollte über den Albis gehen.«
»Tatsächlich?« Segimer machte runde Augen und blähte die breiten Nasenflügel. »Über den Albis? Nach Osten – zu den Burgunden und Vandalen?«
»Da hätte er noch einen weiten Weg gehabt«, bemerkte Segestes, »und es erst einmal mit Semnonen und Langobarden zu tun bekommen. Das sind blutgierige Ungeheuer, schlimmer als Bären und Wölfe. Da wäre von euch nichts übrig geblieben.«
»Es tut mir gut, Cherusker, dass du das sagst.« Caecina warf seufzend einen Blick auf das Sterbelager. »So darf ich mich weniger schuldig fühlen. Vielleicht tat ich doch das Richtige, indem ich zum Rückzug riet. Jetzt kann ich ja darüber reden, denn es gereicht ihm zum Ruhm. Er wurde von der anderen Seite gewarnt. Aber das machte keinen Eindruck auf ihn… einen, der zu siegen gewöhnt war. Er wollte sich nicht einschüchtern lassen.«
»Du sagst, er wurde gewarnt?«, mischte sich ein grauhaariger Kriegstribun mit silbernen Lanzen an der Brust ein, der in der Nähe stand und mit halbem Ohr zugehört hatte. »Das wusste ich gar nicht. Wer warnte ihn?«
»Eine Frau.«
»Eine Frau?«
»Wahrscheinlich eine von diesen Priesterinnen, die vorgeben, die Zukunft zu kennen. Ich war in der Nähe, aber gesehen habe ich sie nicht. Drusus war von ihr beeindruckt, wenn er auch nicht auf sie hören wollte. Vielleicht können diese Frauen wirklich das Schicksal voraussehen. Sie kündigte auch seinen baldigen Tod an.«
»Das tat sie? Wie eigenartig.«
»Nicht eigenartig«, widersprach Segestes. »Wenn eine Seherin etwas verkündet, kann man sich darauf verlassen, dass es eintrifft. Woher wüsste ich sonst, dass meine Frau heute Nacht einen Sohn zur Welt bringen wird?«
»Wart es ab, noch ist er nicht geboren«, bemerkte Segimer und warf einen zufriedenen Vaterblick auf seine beiden schlafenden Knaben.
»Vielleicht hatte ihn die Warnung doch erreicht«, sagte der Tribun. »Ich wunderte mich darüber, dass er den Brückenbau aufgab. Plötzlich ändert er seine Meinung, räumt ein, es sei zu früh, hinüberzugehen. Dass es diesseits des Albis noch zu viel zu tun gebe, dass ja von einer Provinz Germanien noch lange nicht die Rede sein könne.«
»Was werdet ihr jetzt machen?«, fragte Segimer, der die Gelegenheit nutzen wollte, einem hohen Offizier seine Besorgnisse vorzutragen. »Bei uns gibt es viele, die sagen, die Römer können sich hier nicht halten. Wie sollten sie sich auch in unseren Wäldern und Sümpfen zurechtfinden? Was suchen sie hier überhaupt? Hier gibt es doch nichts, was sie nicht schon haben! Sie kommen, schlagen Schlachten, setzen Siegeszeichen – und verschwinden. So als täten sie es zum Spaß, damit ihre Schwerter nicht rosten. Segestes und ich und ein paar andere… wir stehen auf eurer Seite. Wir sind der Meinung, dass unser Leben besser wird, wenn wir mit euch gemeinsame Sache machen. Aber wir sind in der Minderheit. Die meisten wollen erst einmal abwarten, ob die Römer im nächsten Jahr wiederkommen.«
»Ja, und sie bereiten sich schon darauf vor, dann über uns herzufallen«, ergänzte Segestes halb ernsthaft,
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