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Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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schüttete den Rest meines Wassers in ihren Topf. Überhaupt, was heißt schon blühen ?
    Im nächsten Augenblick klingelte das Telefon wieder. Schon gut, schon gut , sagte ich, während ich den Hörer abnahm. Brauchst nicht das ganze Haus zu wecken. Schweigen am anderen Ende. Ich sagte: Bruno?
    Spreche ich mit Mr.   Leopold Gursky?
    Ich nahm an, jemand wolle mir etwas verkaufen. Sie rufen immer an, um etwas zu verkaufen. Einmal sagten sie, ich solle einen Scheck über 99   Dollar schicken, dann sei ich in der Vorauswahl für eine Kreditkarte, und ich sagte: Prima, klar, und wenn ich mich unter eine Taube stelle, bin ich in der Vorauswahl für eine Ladung Scheiße.
    Aber der Mann sagte, er wolle nichts verkaufen. Er habe sich aus seinem Haus ausgeschlossen. Er habe sich von der Auskunft die Nummer eines Schlüsseldienstes geben lassen. Ich erklärte ihm, ich sei im Ruhestand. Der Mann machte eine Pause. Offenbar konnte er sein Pech nicht fassen. Er hatte schon drei andere Nummern angerufen und niemanden erreicht. Es schüttet hier draußen , sagte er.
    Können Sie nicht irgendwo anders übernachten? Morgens ist es leicht, einen Schlosser zu bekommen. Davon gibt es jede Menge.
    Nein , sagte er.
    Na schön, ich meine, wenn es zu viel verlangt ist – fing er wieder an und hielt dann inne, darauf wartend, dass ich etwas sagte. Ich tat es nicht. Also dann . Ich hörte seiner Stimme die Enttäuschung an. Entschuldigen Sie die Störung.
    Trotzdem legte er nicht auf, er nicht und ich auch nicht. Ich war voller Schuldgefühle. Ich dachte: Was brauche ich den Schlaf? Dafür ist noch Zeit genug. Morgen. Oder am Tag darauf.
    Schon gut, schon gut , sagte ich, obwohl ich es nicht sagen wollte. Ich würde mein Werkzeug ausgraben müssen. Ebenso gut konnte ich eine Stecknadel im Heuhaufen suchen oder einen Juden in Polen. Augenblick mal, ich hole einen Stift.
    Er gab mir eine Adresse ganz im Norden der Stadt. Erst nachdem ich aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich um diese Zeit ewig auf einen Bus warten müsste. In der Küchenschublade lag die Karte des Goldstar Car Service, nicht, dass ich je dort anriefe. Aber: Man weiß nie. Ich bestellte ein Taxi und fing an, den Wandschrank im Flur nach meinem Werkzeugkasten zu durchwühlen. Statt seiner fand ich den Kasten mit den alten Brillen. Wer weiß, woher ich sie habe. Wahrscheinlich hat sie jemand auf der Straße verkauft, zusammen mit ein paar Geschirrstücken und einer Puppe ohne Kopf. Gelegentlich probiere ich welche aus. Einmal habe ich mir mit einer Damen-Lesebrille auf der Nase ein Omelett zubereitet. Es war ein Mammutomelett, beim bloßen Anblick wurde mir bang. Ich fischte eine Brille aus dem Kasten. Die Gläser waren viereckig und fleischfarben getönt, einen guten Zentimeter dick. Ich setzte sie auf. Der Boden unter mir sackte ab, und als ich versuchte, einen Schritt zu tun, kam er ruckartig wieder hoch. Ich torkelte zum Spiegel. Um etwas Schärfe zu gewinnen, ging ich ganz nahe heran, aber ich hatte mich verrechnet und bumste an die Scheibe. Es klingelte. Immer dasselbe, alle kommen, wenn dir die Hose um die Knöchel hängt. Augenblick, ich bin gleich unten , brüllte ich in die Sprechanlage. Als ich die Brille abnahm, stand der Werkzeugkasten genau vor meiner Nase. Ich fuhr mit der Hand über den ramponierten Deckel. Dann schnappte ich meinen Regenmantel, der auf dem Boden lag, strich mir das Haar im Spiegel glatt und ging. Brunos Zettel hing noch an der Tür. Ich knüllte ihn in meine Tasche.
    Eine schwarze Limousine stand auf der Straße, durch das Licht der Scheinwerfer strich Regen. Ansonsten weit und breit nur ein paar leere Autos, entlang der Bordsteinkante geparkt. Ich wollte schon ins Haus zurück, aber der Fahrer der Limousine ließ das Fenster herunter und rief meinen Namen. Er trug einen purpurroten Turban. Ich trat ans Fenster. Das muss ein Irrtum sein , sagte ich. Ich habe ein Taxi bestellt.
    Okay , sagte er.
    Aber das ist eine Limousine , betonte ich.
    Okay , wiederholte er, indem er mich hereinwinkte.
    Extras kann ich nicht bezahlen.
    Der Turban nickte. Steigen Sie ein, bevor Sie klitschnass sind.
    Ich duckte mich ins Innere. Da waren Ledersitze und auf dem Sideboard zwei Kristallflaschen. Es war geräumiger als gedacht. Die sanfte exotische Musik von vorne und der gemessene Takt der Scheibenwischer erreichten mich kaum. Der Fahrer lenkte die Schnauze des Vehikels auf die Straße, und wir fuhren in die Nacht hinaus. Die Ampeln bluteten in Pfützen. Ich

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