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Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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öffnete eine Kristallflasche, aber sie war leer. Es gab ein kleines Glas mit Pfefferminz, und ich füllte meine Taschen. Als ich nach unten blickte, stand mein Latz offen.
    Ich richtete mich auf und räusperte mich.
    Meine Damen und Herren, ich will mich kurz fassen, Sie waren alle so geduldig. Offen gestanden stehe ich unter Schock, wirklich, ich glaube, ich muss mich mal kneifen. Eine Ehre, von der ich nur träumen konnte, der Goldstar-Preis für mein Lebenswerk, ich bin tatsächlich sprachlos … Ist es wirklich wahr? Und doch. Ja. Sieht alles danach aus. Ein Lebenswerk.
    Wir fuhren durch die Stadt. Ich bin all diese Viertel schon abgelaufen, meine Arbeit führte mich in die hintersten Winkel der Stadt. Man kannte mich sogar in Brooklyn, ich ging überallhin. Schlösser knacken für die Chassidim. Schlösser für die schwartzers . Manchmal ging ich sogar aus Spaß los, verbrachte einfach den ganzen Sonntag mit Spazierengehen. Einmal, es ist Jahre her, fand ich mich vor dem Botanischen Garten wieder und ging hinein, um mir die Kirschbäume anzusehen. Ich kaufte ein paar Cracker Jacks und schaute zu, wie die Goldfische dick und faul in ihrem Teich schwammen. Eine Hochzeitsgesellschaft machte Fotos unter einem Baum, der mit seinen weißen Blüten allein in einen Schneesturm geraten zu sein schien. Schließlich landete ich beim Tropenhaus. Drinnen war eine andere Welt, feucht und warm, als sei der Atem Liebender dort eingefangen. Mit dem Finger schrieb ich LEO GURSKY an die Scheibe.
    Die Limousine hielt. Ich hob den Kopf ans Fenster. Welches? Der Fahrer deutete auf ein Stadthaus. Ein schönes Haus, mit einer Treppe zur Tür hinauf und in Stein gemeißeltem Blattwerk. Siebzehn Dollar , sagte der Fahrer. Ich tastete in meiner Tasche nach der Geldbörse. Nichts. Andere Seite. Brunos Zettel, die Unterhose vom Vormittag, aber keine Geldbörse. Beide Manteltaschen, nichts, nichts. Ich musste sie in der Eile zu Hause vergessen haben. Dann fiel mir das Honorar vom Zeichenkurs ein. Ich wühlte mich durch Pfefferminz, den Zettel und die Unterhose und fischte es heraus. Tut mir leid , sagte ich. Wie unangenehm. Ich habe nur fünfzehn dabei. Zugegeben, ich trennte mich nur widerstrebend von den Scheinen, schwer verdient war nicht das richtige Wort, eher etwas anderes, in Richtung bittersüß. Doch nach einer kurzen Pause nickte der Turban, und das Geld war akzeptiert.
    Der Mann stand unter dem Türbogen. Natürlich hatte er mich nicht in einer Limousine erwartet, und ich tauchte daraus auf wie der Schlosser aller Stars. Ich war beschämt, wollte erklären: Glauben Sie mir, ich würde mich nie für was Besseres halten. Aber es schüttete unvermindert, und ich dachte, sicher braucht er mich dringender als irgendeine Erklärung, wie ich hergekommen bin. Sein Haar war ganz platt geregnet. Er bedankte sich dreimal für meine Freundlichkeit. Nicht der Rede wert , sagte ich. Und doch. Ich wusste, fast wäre ich nicht gekommen.
    Es war ein tückisches Schloss. Der Mann stand über mich gebeugt, hielt mir die Taschenlampe. Regen lief mir über den Rücken. Ich spürte, wie viel davon abhing, dass ich dieses Schloss aufbekam. Minuten vergingen. Ich probierte. Nichts. Probierte wieder. Nichts. Dann, endlich, schlug mein Herz höher. Ich drehte den Knauf, und die Tür sprang auf.
    Triefend standen wir im Flur. Er zog seine Schuhe aus, also zog ich meine aus. Er dankte mir noch einmal, dann ging er sich trockene Sachen anziehen und mir ein Taxi bestellen. Ich versuchte zu protestieren, sagte, ich könne den Bus nehmen oder ein Gelbes auf der Straße anhalten, aber davon wollte er nichts hören, was denn, bei dem Regen. Er ließ mich im Wohnzimmer zurück. Ich spazierte ins Esszimmer hinüber, und von dort erblickte ich einen Raum voller Bücher. Ich hatte noch nie so viele Bücher an einem Ort gesehen, der keine Bibliothek war. Ich ging hinein.
    Ich lese auch gern. Einmal im Monat gehe ich zur nächsten Zweigstelle. Ich nehme mir einen Roman mit und für Bruno mit seinem grauen Star eine Hörkassette. Zuerst war er skeptisch. Was soll ich denn damit? , sagte er und starrte den Schuber von Anna Karenina an, als hätte ich ihm eine Klistierspritze in die Hand gedrückt. Und doch. Einen oder zwei Tage später war ich mit irgendetwas zugange, als von oben eine Stimme so laut brüllte: ALLE GLÜCKLICHEN FAMILIEN SIND EINANDER ÄHNLICH , dass ich fast einen Anfall bekam. Danach hörte er bei voller Lautstärke, was immer ich ihm mitbrachte, und

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