Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geschichte vom neidischen Dorle

Titel: Die Geschichte vom neidischen Dorle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Günter Krack
Vom Netzwerk:
ärgerlich. „Einen — einen ganz dicken Hintern hat sie in dem Kleid gehabt!“ „Dorle!“ mahnte die Mutter, während sie den Quark auf dem Teig verteilte.
    „Na, ist doch wahr!“ rief Dorle und guckte in die Schüsseln. Ihre Mutti hatte ganz ansehnliche Teigreste darin gelassen. „Mach sie schon sauber“, sagte Frau Klöhner. „Aber nicht mit dem Finger. Nimm einen Teelöffel.“
    Dorle zog die Schublade des Küchentisches auf und nahm einen Teelöffel heraus. Dann setzte sie sich auf den Küchen stuhl am Fenster und klemmte die braune Teigschüssel zwischen die Knie.
    Wie konnte sie der Mutter beibringen, daß sie auch so ein Kleid haben wollte, wie Traude es besaß? Sie widmete sich nicht einmal mit besonderer Aufmerksamkeit den Schüsseln. Sie zappelte vor Erregung auf dem Stuhl hin und her. Beinahe wäre ihr die Schüssel auf den gekachelten Fußboden gefallen. Die Mutti nahm den Kuchen vom Tisch und schob ihn in die Backröhre des Küchenherdes. Vorher sah sie auf die runde Uhr über der Tür. Als der Kuchen in der Röhre stand, setzte sie sich an die andere Seite des Tisches. An ihrer blauen Schürze wischte sie sich die Hände ab.
    Das war der richtige Augenblick! „Muttiiii!“ quäkte Dorle. „Mutti! Kauf mir auch so ein Kleid mit Herzchen, Du wirst sehen, es steht mir viel besser als Traude! Bestimmt, Mutti!“ Sie stellte schnell die Schüssel auf den Tisch. Der Löffel klapperte laut darin. „Mutti! Bitte, bitte!“
    Dorle lief zur Mutti hin und drängte sich zwischen ihre Knie, wie sie es immer tat, wenn sie etwas haben wollte.
    Das Gesicht der Mutter wurde traurig. Dorle konnte sich gar nicht vorstellen, warum. „Du gönnst also Traude das Kleid nicht?“ sagte die Mutti und schob Dorle ein Stückchen zurück. „Das ist nicht schön von dir!“
    „Doch, doch, Mutti! Ich gönne es Traude. Ich möchte bloß auch so eins haben. Mir steht es ..."
    „Viel besser“, ergänzte die Mutter. „Du hast Weihnachten ein neues Kleid bekommen. Hat Traude denn daran herumgemäkelt? Nein!“ Dorles Mutter ließ sich nicht unterbrechen. Sie sah aus wie Fräulein Fröhlich, wenn sie sich über den Lärm in der Klasse ärgerte.
    „Traude weiß, daß man nicht alles haben kann, was andere besitzen. Du hast auch Sachen, die Traude vielleicht gern haben möchte. Den Kaufmannsladen zum Beispiel. Oder die gelbe Windjacke. Aber ist Traude deshalb böse auf dich, wie?“ „Ich bin nicht böse auf Traude“, wandte Dorle ein. Das stimmte

    aber gar nicht! Sie war doch böse auf die Freundin, weil sie ein neues Kleid hatte. Richtig böse, jawohl! Genauso böse wie damals auf Monika! Sie wollte das Kleid! Sie wollte! Sie wollte!
    Und auf einmal schrie sie so laut, daß es die Kinder auf der Straße bestimmt hörten: „Ich will aber ein Herzchenkleid, Mutti! Ich will!“ Sie sah die Mutter nicht an, sondern starrte auf das weißblaue Muster der Fliesen auf dem Küchenboden. „Ich will! Das andere gefällt mir nicht mehr! Das andere will ich nicht mehr!“
    Hu! Sie war so zornig, daß ihr sogar die Tränen in die Augen schossen. Und wie abstoßend sie aussah! Wenn sie nur in den Spiegel geblickt hätte. Vor sich selbst hätte sie sich erschrocken! „Oho!“ Die Mutti stand mit einem Ruck auf. „Du willst das rosa Kleid nicht mehr! Gut, gut! Dann kann ich’s ja wegschließen — oder verschenken. An ein Kind, das dankbarer ist als du.“
    Mochte sie es wegschließen. Mochte sie’s verschenken! In den  Lumpenkasten konnte sie das Kleid werfen, wenn sie ihr nicht ein Herzchenkleid kaufen wollte!
    Sie hätte mit dem Vater sprechen sollen! In einer Stunde kam er von der Arbeit. Er würde ihr diesen Wunsch schon erfüllen. Oder nein! Vielleicht doch nicht. Denn wenn Dorle etwas vom Vater wollte, sagte er stets: Frag die Mutti.
    Und die Mutti? Die war jetzt wirklich ärgerlich. Sie beachtete Dorle überhaupt nicht mehr und begann, die Wäsche zum Bügeln zurechtzulegen. Aber Dorle wollte heute nicht mithelfen. Sie wollte auch keine Schulaufgaben machen, obwohl die Hefte noch im Wohnzimmer auf dem Tisch lagen. Sie wollte ein neues Kleid!
    Diese blöde, dicke Traude! Warum mußte gerade sie eins bekommen? Wütend trampelte Dorle mit den Füßen auf und schrie noch einmal wie am Spieß: „Ich will aber, Muttiiii!“ „Dorle!“ rief die Mutter, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. „Du gehst jetzt und machst Schularbeiten. Oder hast du sie schon fertig?“
    „Nein!“ brüllte Dorle. „Nein! Ich mache auch keine.

Weitere Kostenlose Bücher