105 - Trank des Verderbens
Man schrieb das Jahr 1786.
Es war in Boston.
Dr. Suzman befand sich in seinem Kellerlaboratorium, und eine erschreckende Gier schimmerte in seinen dunklen Augen. Er war ein kräftiger, gutaussehender Mann, mit materiellen Gütern reich gesegnet.
Vielleicht war sein Reichtum daran schuld, daß er in den letzten Jahren immer unzufriedener geworden war. Er hatte alles, was er brauchte, konnte sich alles leisten, sich jeden Wunsch erfüllen.
Das brachte ihn zu der Erkenntnis, daß ihm das Leben nichts mehr zu bieten hatte. Er hatte die Genüsse dieser Welt bis auf den Grund ausgeschöpft, und nun beherrschte ihn eine Leere, die ihm zuwider war und gegen die er nicht anzukämpfen wußte.
Er wurde griesgrämig und unleidlich, behandelte seine Frau schlecht und war ständig auf der Suche nach neuer Erfüllung.
In jungen Jahren hatte er viel experimentiert, doch wenig Erfolg erzielt. Neuerdings schloß er sich wieder für viele Stunden in sein Laboratorium ein und arbeitete mit verbotenen Mixturen.
Der uralte Traum der Menschen war es, den Stein der Weisen zu finden oder auf künstlichem Wege Gold herzustellen.
Dr. Suzman jedoch forschte auf einem anderen Gebiet. Er betrat Neuland, und das reizte ihn. Er liebte die Gefahr. Selbst wenn er sein Leben dabei riskiert hätte, wäre er davor nicht zurückgeschreckt.
Er hing nicht besonders an seinem Leben, denn er war davon überzeugt, daß nach diesem ein anderes folgen würde. Der Mensch bestand nicht nur aus dem, was man sehen und anfassen konnte. Er besaß auch einen Geist, und der war Dr. Suzmans Ansicht nach unzerstörbar.
Sein Geist würde ihn überleben.
Was einmal gelebt hat, lebt ewig…
Ein altes Buch war ihm vor etwa drei Monaten in die Hände gefallen. Ein längst verstorbener Alchimist hatte es verfaßt. Ein Mann, dem man Konspiration mit dem Bösen nachgesagt und den man eines Nachts in seinem Haus aus diesem Grund erschlagen hatte.
Das Buch war eine Fundgrube besonderen Werts für Dr. Dave Suzman. Viele Nächte verbrachte er damit, die größtenteils verschlüsselten Aufzeichnungen zu enträtseln, und er machte dabei Entdeckungen, die ihn begeisterten und faszinierten.
Er mußte sie streng geheimhalten, denn wenn die Leute davon erfahren hätten, hätte das äußerst unangenehme Folgen für ihn gehabt. Personen, die dem Bösen huldigten, die es verstanden, finstere Mächte zu beschwören und sich Höllenkräfte dienstbar zu machen, waren nicht sonderlich beliebt.
Dr. Suzman jedoch hatte eine neue Erfüllung gefunden. Er blühte auf, ließ die gewonnenen Erkenntnisse in seine Experimente einfließen und stand kurz vor einer großen Entdeckung, das spürte er.
Er arbeitete auf dem Gebiet der Bewußtseinsspaltung, und es war ihm gelungen, Halluzinogene herzustellen, die grauenvolle Eindrücke vermittelten.
Er scheute sich nicht, selbst von dem zu trinken, was er in seiner unterirdischen »Hexenküche« zusammenbraute.
Viele Forscher nahmen einen Selbstversuch mit dem vor, was ihr genialer Geist geboren hatte, bevor sie es bei anderen Menschen zu deren Wohl anwandten. In Dr. Suzmans Fall lag die Sache anders.
Zum Wohle der Menschheit würde er niemals etwas tun. Er haßte und verachtete die Menschen und wollte mit ihnen so wenig wie möglich zu tun haben.
Unzählige Experimente lagen bereits hinter ihm, und er wußte nicht, wie viele er noch vor sich hatte. Sein Blut war von zahlreichen Substanzen vergiftet und mit Magie angereichert.
Sein Geist war schärfer und aufnahmefähiger geworden, und er fühlte sich vom Bösen auf eine Weise gelenkt, die ihm willkommen war, denn er spürte, daß ihm das schon bald die große Erfüllung bringen würde.
Es ging ihm nicht nur darum, sein Bewußtsein zu spalten. Seiner Ansicht nach trug jeder Mensch sowohl das Gute als auch das Böse in sich.
Der eine tendierte mehr zum Guten hin, der andere mehr zum Bösen, aber vorhanden war beides in allen, und Dr. Suzman legte es darauf an, diese böse Kraft zu separieren, zu stärken und sichtbar zu machen.
Für ein paar Sekunden hatte er das schon geschafft, aber das reichte ihm nicht. Er wollte das Böse besser herausstellen und kontrollieren können.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedurfte es weiterer Experimente.
Es kochte und brodelte in großen Glasbehältern. Dämpfe stiegen hoch und wurden über Schläuche und Glasspiralen weitergeleitet, von magisch gespeisten Flammen erhitzt, von übernatürlichen Kräften beeinflußt, abgekühlt, zum Kondensieren
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